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Der kleine Koenig Dezember

Titel: Der kleine Koenig Dezember Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Hacke
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schimpfte nicht mehr und stupste ihn auch nichtzurück. Als die Kellnerin zu uns kam, dachte ich, sie werde bestimmt gleich sagen: »Hören Sie mal, Sie haben da so einen komischen kleinen König im Jackett.« Aber sie fragte nur, was ich bestellen möchte.
    »Einen Cappuccino«, sagte ich. »Haben Sie eventuell Gummibärchen?«
    »Ich glaube schon«, antwortete sie, »für Kinder, ich glaube schon.«
    Sie brachte mir den Kaffee und eine kleine Tüte mit Bärchen. Ich packte dem König eines aus.
    »Danke sehr«, sagte er.
    Ich schüttete Zucker in meinen Cappuccino und sah zu, wie er eine Insel im Milchschaum bildete und dann rasch versank.
    »Es ist traurig, jeden Tag in ein Büro zu gehen und nicht zu sehen, was du siehst«, sagte ich. »Und immer wieder mit dem Drachen zu kämpfen und nicht einmal zu wissen, dass es ihn gibt.«
    »Ja«, sagte der König und biss zufrieden in sein Gummibärchen. »Kann ich nachher die anderen Bärchen in der Tüte auch haben?«
    »Ich wäre gern wie du«, sagte ich.
    »Du kannst nicht sein wie ich«, sagte der König. »Aber du warst einmal so. Als du klein warst, meine ich.«
    »Aber jetzt bin ich groß, und du wirst immer kleiner«, sagte ich.
    »Das ist doch toll«, sagte der König. »Für mich, meine ich.«
    »Leider«, sagte ich. »Für dich.«
    »Immerhin bin ich dein kleiner König«, sagte der König, »und ich wohne bei dir. Es gibt mich nur, weil du mich haben wolltest.« Ich rührte in meinem Kaffee. »Das ist doch schön, oder?«, sagte der König.
    »Wenigstens das«, sagte ich.
    I n einer schönen Sommernacht gingen der König Dezember und ich hinaus auf den Balkon. Wir legten uns rücklings auf den Boden und blickten zu den Sternen hinauf. Genauer gesagt: Nur ich lag direkt auf dem Boden. Der König befand sich auf meinem Bauch, zwischen dem fünften und dem sechsten Hemdknopf von oben, und ich spürte sein kleines Gewicht mit meinem Atem steigen und sinken.
    »Was fühlst du, wenn du die Sterne siehst?«, fragte der König.
    »Ich fühle mich klein und unbedeutend«, sagte ich. »So winzig wie du es bist, fühle ich mich, oder noch winziger, und ich finde, die Welt ist riesengroß, und ich bin bloß ihr kleinster Teil.«
    »Hier unten bist du so groß, und kaum siehst du die Sterne weit dort oben, fühlst du dich so klein?«
    »Ja«, sagte ich. »Wie ein Rädchen, das niemand vermisst, wenn es in eine dunkle Ecke rollt.«
    »Weißt du, wie es für mich ist?«, sagte der König. »Ich habe das Gefühl, riesengroß zu werden. Ich weite mich aus, ins All hinein, aber nicht wie ein Luftballon, der aufgeblasen wird und irgendwann platzt. Es geht ganz leicht und selbstverständlich, ohne dassirgendeine Hülle gedehnt und gespannt würde. Ich fühle mich, als wäre ich ein Gas, das sich verströmt. Am Ende bin ich nicht nur ein Teil von allem. Ich bin das All selbst, und die Sterne sind in mir. Kannst du dir vorstellen, wie das ist?«

    Ich schwieg einen Augenblick. Dann antwortete ich: »Nein.«
    »Kein Wunder«, sagte der König Dezember. »Wenn du es könntest, würdest du es auch bei dir selbst fühlen und hättest es dir schon lange vorgestellt – so schön ist es.« Er wälzte sich ächzend vom Rücken auf den Bauch und blickte zu meinem Gesicht hinauf.
    »Und was ist nun die Wahrheit?«, fragte er. »Bist du so groß, wie du aussiehst, oder so klein, wie du dich fühlst?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich und schaute in den Himmel. Der König Dezember sah mich an und sagte: »Warum fühlst du dich klein, wenn du etwas Großes siehst?«
    Ich schwieg.
    »Wenn ich mich fühle, als wäre ich alles, und du dich fühlst, als wärst du nur ein Teil«, fuhr er fort, »dann bist du ein Teil von mir. Aber ich bin kein Teil von dir.«
    Ich schwieg weiter.
    »Das ist eigenartig, nicht?«, sagte der König.
    »Ja«, sagte ich, »eigenartig.«
    »Fehle ich dir dann?«, fragte der König.
    »Ja«, sagte ich. »Ich glaube, es gibt ziemlich viele Leute, denen ein kleiner König fehlt, ohne dass sie es wissen.«
    Der König hatte seinen Kopf seitlich mit einem Ohr auf meinen Bauch gelegt.
    »Du hast ja Glück«, sagte er. »Immerhin bin ich noch so groß wie dein kleiner Finger, und du kannst mich sehen. Eines Tages werde ich so klein sein, dass du mich nicht mehr sehen kannst, und wenn wir uns bis dahin nicht getroffen hätten, wäre es zu spät gewesen.«
    »Für mich«, sagte ich.
    »Für dich«, sagte der König. Er setzte sich auf, genau dort, wo mein Bauchnabel ist, und

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