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Der kleine Koenig von Bombay

Der kleine Koenig von Bombay

Titel: Der kleine Koenig von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chandrahas Choudhury
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»Was bist du für ein Mäuschen! Keine Sorge, es wird vollkommen legal sein. Vielleicht macht es dir sogar Spaß. Und so musst du dir auch keine Gedanken mehr um das Geld machen, dasdu uns noch schuldest. Wir ziehen es einfach von deinem Verdienst ab.«
    »Oh. So ist das also, Deepakbhai.«
    »Natürlich! Falls du dachtest, ich mach hier einen auf Wohltätigkeitsverein, denk noch mal nach. Aber es wird sich auch für dich auszahlen. Wenn deine Schulden beglichen sind, gehört der Rest deiner Einnahmen dir. Was hältst du davon?«
    »Ich … ich weiß nicht, Deepakbhai. Weißt du, es ist schon so viele Jahre her, dass ich mich mit solchen Dingen beschäftigen musste –«
    »Erst die kleinen Probleme angehen«, ließ sich jetzt Deepaks Frau vernehmen. »Dann lösen sich die größeren Probleme von selbst. Arbeit sollte man nie ablehnen. Arbeit ist nicht leicht zu finden.«
    »Hast du das gehört?«, fragte Deepak. »Selbst Frauen haben mehr Sinn und Verstand als du.«
    »Okay … okay, ich mache es, Deepakbhai. Du hast mich überzeugt. Danke, Deepakbhai. Als ich dich gestern Vormittag gesehen habe, hätte ich nie gedacht, dass wir jetzt so hier sitzen und uns unterhalten würden.«
    »Da siehst du, wie großzügig wir anderen gegenüber sind«, sagte Deepak und wandte sich dabei seiner Frau zu, wie um an eine alte Diskussion anzuknüpfen. »Und trotzdem tauchen Jahr für Jahr die Pakistanis mit ihren Bomben und Gewehren bei uns im Land auf. Und gestern habe ich von unserem kleinen Freund hier erfahren, dass sie auch noch unsere Filme übernehmen. Wir Hindus werden nach Strich und Faden abgezockt. Wie lang soll das noch weitergehen?«
    »Deepakbhai, ich –«
    »Was ist denn? Warum machst du dauernd den Mund auf und zu, was willst du sagen?«
    »Deepakbhai, ich … ich bin nicht, was du denkst. Wegen meinem Namen gehen alle automatisch davon aus, dass ich Moslem bin, aber mein Vater war Hindu. Wenn du die Menschen also weiter so aufteilen willst, bin ich auch auf deiner Seite.«
    »Was du nicht sagst!« Deepak wieherte vor Lachen und schlug sich auf den Schenkel. »Du bist wirklich ein außergewöhnlicher kleiner Mann. Wie heißt du denn mit Nachnamen?«
    »Ich heiße … ich heiße Gandhi, Deepakbhai. Du lachst! Ich weiß, das klingt komisch. Mein Vater war ein Gujarati – aus einer
bania
-Familie 12 . Aber ich benutze meinen Nachnamen nur selten. Alle nennen mich einfach Arzee.«
    »Ar-zee«, sagte Deepak. »Den Namen habe ich vorher noch nie gehört. Heißt das nicht so was wie ›Befehl‹ oder ›Gesuch‹?«
    »Es geht eher in Richtung ›Bitte‹ oder ›Wunsch‹, Deepakbhai. Und es gibt auch eine Geschichte dazu. Bevor ich auf die Welt gekommen bin, haben meine Eltern viele Jahre lang versucht, ein Kind zu kriegen. Als ich geboren wurde, war es, als wäre ihre Bitte erhört worden, und deshalb haben sie mich Arzee genannt.«
    »Und du wirst deinem Namen mehr als gerecht, kleiner Mann«, sagte Deepak. »Es vergeht kein Tag, an dem du nicht um irgendein Zugeständnis oder Entgegenkommen bittest, weil das Leben für dich nicht einfach ist. Wenn du in Zukunft irgendwas von mir willst, sag vorher: ›Das ist mein arzee‹.«
    »Übrigens, Deepakbhai, dieses Bild von Ganesha da an der Wand –«, Arzee lenkte das Gespräch geschickt auf einThema, mit dem er Deepak und seine Frau beeindrucken konnte, »das ist sehr ungewöhnlich, weil Ganeshas Rüssel da zur rechten Seite hin eingerollt ist, und das sieht man sonst fast nie. Auf dem Bild bei uns im Kino geht Ganeshas Rüssel gerade nach unten.«
    »Stimmt!«, sagte Deepaks Frau.
    Zufrieden sagte Arzee: »Wenn du mal in unseren Vorführraum kommst, Deepakbhai, wirst du sehen, dass wir Bilder von Göttern aller Religionen an der Wand hängen haben. Ich weiß eine Menge über Religion, wobei ich nicht gläubig bin, aber das ist ein anderes Thema. Ich nehme mir noch ein letztes Plätzchen, Deepakbhai.«
    »Nimm nicht nur die mit Schokolade. Nimm auch von denen mit Traubenzucker«, befahl Deepak.
    Er griff nach dem Schokoladenplätzchen, das Arzee ihm überlassen hatte. Krümel verteilten sich um ihn herum wie Schutt auf einer Baustelle. Kauend fragte er: »Wenn dein Vater Hindu war, warum hat er dann eine Muslimin geheiratet?«
    »Er hat es so gewollt, Deepakbhai. Meine Eltern haben im selben Stadtviertel gewohnt und sich ineinander verliebt, so war das eben. Warum hätten sie nicht heiraten sollen? Liebe ist Liebe, Deepakbhai. Und selbst wenn sie es besser nicht

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