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Der kleine Koenig von Bombay

Der kleine Koenig von Bombay

Titel: Der kleine Koenig von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chandrahas Choudhury
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sonst hätte er sich nicht bereit erklärt, Phiroz’ Tochter zu heiraten. Und Deepak wusste es auch, sonst wäre sein Zuhause nicht so bunt und fröhlich, und er wäre wirklich ein mieser Charakter, statt nur so zu tun.
    Und es gab immer noch eine Chance – das ging Arzee immer wieder durch den Kopf, seit Deepak diese zwei, drei Sätze gesagt hatte. Es gab immer noch eine winzige Chance – wenn er sich dazu durchringen konnte, seinen Stolz hinunterzuschlucken. Ein bisschen was über sie zu erfahren – ein Hauch von Wärme aus dem erkalteten Topf. Er musste an keinem bestimmten Ort mehr sein, und bald würde er alle Zeit dieser Welt haben. Wenn er wüsste, wo sie war, könnte er sich zumindest an ihren Wohnort begeben und sie, hinter einem Baum oder einer Mauer versteckt, stumm betrachten, während sie die Straße entlangging. Und falls sie die Frau eines anderen geworden war, würde er es zumindest wissen und aus diesem Elend sein Glück ziehen, so wie er es vorher aus seinem Glück gezogen hatte.
    »Ich mach’s«, dachte er. »Ich fordere meine Bestrafung heraus, aber es ist meine einzige Chance.« Er wandte sich um und ging die Treppe wieder hoch.
    Deepak stand im Flur und rauchte nach getaner Arbeit seine Zigarette.
    »Du schon wieder!«, sagte er und hielt sich die Arme vors Gesicht, wie um sich zu verstecken. »Werde ich dich denn gar nicht mehr los?«
    »Deepakbhai, ich …«
    »Warum gehst du nicht diesen Freund besuchen, von demdu gestern geredet hast?«, fragte Deepak. »Ich mag nicht mehr mit dir reden, kleiner Mann. Damals wusste ich es ja noch nicht, aber dir nachzustellen war bedeutend einfacher.«
    »Tut mir leid, Deepakbhai. Hör zu, Deepakbhai, ich wollte dich nur eine Sache fragen.«
    »Das war mir in dem Augenblick klar, als ich dich gesehen habe.« Deepak seufzte. »Also los. Aber wir beschränken mal besser die Zeit, sonst brauchst du den restlichen Abend dazu. Du hast dreißig Sekunden, um zu sagen, was du sagen willst.«
    »Es gibt da etwas, was schon ewig an mir nagt, Deepakbhai. Schon viel länger, als wir uns kennen. Ich hab dir nie davon erzählt – aber nicht, weil es nicht wichtig wäre. Einfach nur, weil wir uns früher nie so unterhalten haben.«
    »Was für eine Sekundenverschwendung. Und das wäre?«
    »Du hast vorhin gesagt, das Syndikat könnte jeden finden. Hast du das ernst gemeint oder war das ein Witz?«
    »Das war ernst gemeint. Wenn ich einen Witz mache, merkt das jeder, weil ich als Erster lache.«
    »Ich wollte nur sichergehen, Deepakbhai. Es ist nicht so, dass ich dir nicht geglaubt hätte –«
    »Der Countdown läuft …«
    »Also … könntet ihr jemanden für
mich
suchen? Es ist sehr wichtig, Deepakbhai.« Arzee griff nach Deepaks Hand und umklammerte sie.
    Deepak stieß einen Pfiff aus, und ein Stückchen glühende Asche segelte in den Hof hinaus. »Okay, okay! Countdown gestoppt«, sagte er und entzog Arzee seine Hand. »Also: Nach wem suchst du, kleiner Mann? In diesem kleinen Kasten steckt wirklich eine große Lebensgeschichte.«
    »Ich hätte nie damit gerechnet, dass es so kommen würde, Deepakbhai.«
    »Wer ist es denn? Ein lang vermisster Zwillingsbruder?«
    »Nein, Deepakbhai.«
    »Ist es jemand, der
dir
Geld schuldet?«
    »Nein, Deepakbhai.«
    »Ist es ein Mädchen?«
    »Äh – ja, Deepakbhai. Guck nicht so! Wenn du sie siehst, wirst du verstehen, warum ich dich darum bitte. Es war so schön, Deepakbhai, so schön. Und alles lief prima, alles war gut, und ich habe auch nichts Verkehrtes gesagt oder getan. Es war nicht meine Schuld, Deepakbhai! Aber jetzt ist sie weg, entschwunden wie ein Geist. Ihr Vater hat dahintergesteckt, Deepakbhai. Er war ein Dämon. Und ich habe alles noch schlimmer gemacht. Ich bin böse auf ihn geworden und habe ihm eine runtergehauen. Dabei wollte ich das gar nicht. Meine Hand hat sich einfach selbstständig gemacht.«
    »Ich weiß ja, dass du ein brutaler Kerl bist, nachdem du gestern in dieser Passage so auf mich eingetreten hast«, sagte Deepak. »Und wann hast du sie das letzte Mal gesehen?«
    »Vor etwa einem Jahr. Ich versuche, nicht mehr daran zu denken, Deepakbhai, ich weiß nicht, warum ich heute … ich weiß nicht, warum … als du gesagt hast … als ich dich und deine Frau gesehen habe … und dann das mit dem Kino … und plötzlich hab ich … ich –«
    »Du
heulst
?«, fragte Deepak ungläubig.
    »Ich … ich –«
    »Nicht heulen, kleiner Mann. Mädchen, die einen sitzen lassen, sind es nicht wert, dass man

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