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Der kleine Koenig von Bombay

Der kleine Koenig von Bombay

Titel: Der kleine Koenig von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chandrahas Choudhury
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»Jetzt ist es nur noch das – das No. Ich habe die ganze Zeit nichts zu dir gesagt, Phirozbhai, aber jetzt muss ich es tun. Wenn du dir freinehmen kannst, Phirozbhai,dann kann ich es ja wohl auch? Das Kino macht eh zu, also, was soll’s? Du zeigst mit dem Finger auf mich, Phirozbhai, aber vergiss nicht, dass deine anderen vier Finger auf dich selbst zeigen!«
    »Ich habe eine Hochzeit vorzubereiten, deshalb war ich nicht hier«, polterte Phiroz, und sein alter Körper bebte vor Erregung. »Wenn sie vorbei ist, werde ich wieder jeden Tag zur selben Zeit hier sein, bis zu meinem letzten Arbeitstag. Wer sagt denn, dass das Kino zumacht? Wer? Und falls es stimmt, willst du es dann vielleicht schon vor der Zeit schließen? Hm? Hier geht alles weiter wie immer. Der Film läuft, da vor deinen Augen.«
    »Lass diese Spielchen, Phirozbhai. Du kennst die Tatsachen so gut wie ich. Es tut mir leid, dass ich das alles sage, während du betest, und eigentlich wollte ich es gar nicht sagen, weil in zwei Tagen die Hochzeit deiner Tochter ist. Aber du hast mich selbst dazu gebracht, Phirozbhai. Mach weiter, Phirozbhai, und wenn du fertig bist, klären wir das, von Angesicht zu Angesicht.«
    »Denk über das nach, was ich dir gesagt habe, und red nicht mehr davon«, sagte Phiroz. Er läutete seine kleine Glocke, murmelte ein paar Worte, klopfte den Staub von seiner Hose und stand langsam auf. »Wenn du ein guter Filmvorführer sein willst, dann denk daran, dass die Vorstellung immer an erster Stelle steht. Ich werde nicht mehr lange da sein, um dir das zu sagen.« Er drehte sich um und heftete seinen glasigen Blick auf Arzee. »Hast du mich verstanden?«
    »Phirozbhai!«, rief Arzee. »Was hast du getan?«
    »Was habe ich getan?«
    »Er ist … er ist weg!«
    Phiroz hatte seinen Schnauzbart abrasiert! Er hatte dentreuen Freund seiner alten Tage beseitigt, und ohne ihn wirkte sein Gesicht richtig verlassen. So fahl. So leer. Die Lippen schmal und verbittert. Wenn Phiroz nur in seiner Unterwäsche zur Arbeit gekommen wäre, hätte er weniger seltsam ausgesehen. Durch die Entfernung seines Schnauzbarts sah er aus wie ein heimlicher, durchtriebener jüngerer Bruder seiner selbst – ein Usurpator. Sein Verhalten war so phirozmäßig wie eh und je, doch sein Äußeres nicht.
    »Wer ist weg?«, fragte Phiroz gereizt, als wüsste er es nicht genau. Ohne den Schnauzbart klang sogar seine Stimme anders.
    »Hast du das wegen der Hochzeit gemacht, Phirozbhai? Und Shireen – was hat sie denn dazu gesagt? Ach so, sie … Tut mir leid. Ich habe dich noch nie ohne Schnauzbart gesehen, Phirozbhai.«
    Phiroz grunzte. »Fünfmal sauber drübergefahren, und weg war er«, verriet er und fuhr sich mit den Fingern über die nackte Stelle oberhalb der Oberlippe.
    »Und ich habe auch nicht gewusst, Phirozbhai, all die Jahre nicht, dass Shireen … dass sie nicht …«
    »Das ist auch nicht wichtig«, sagte Phiroz. »Worauf es ankommt, ist, wie wir in dieser Welt leben!«
    »War sie schon immer so, Phirozbhai?«
    »Vom ersten Tag an. Aber das Kind hat sich das nie zu Herzen genommen. Sie ist ein guter Mensch. Wir Sehenden sind es, die das Unheil in dieser Welt anrichten.«
    »Es tut mir leid, dass ich dir all die Jahre keine größere Hilfe war, Phirozbhai. Ich hätte es sein können, wenn du mich darum gebeten hättest. Aus irgendeinem Grunde hältst du mich nicht für hilfsbereit, aber ich bin es! Und ich möchte dir jetzt gern helfen. Kann ich irgendwas für die Hochzeit tun,Phirozbhai? Ich habe am Montagabend übrigens bei euch vorbeigeschaut. Aber da wart ihr in Udwada.«
    »Mir helfen? Hilf dir lieber selbst«, sagte Phiroz und gluckste. »Deine Mutter ist ziemlich aufgebracht wegen dir.«
    »Meine Mutter ist aufgebracht? Woher weißt du das? Du hast sie doch ewig nicht gesehen, und ich habe sie erst vorhin gesehen, bevor ich gegangen bin.«
    »Sie hat mich angerufen. Sie wollte wissen, ob dir was auf der Seele liegt. Ich habe gesagt, das ist doch offensichtlich. Die Geschäftsführung hat bekanntgegeben, dass das Noor geschlossen wird. Und da habe ich erfahren, dass du es ihr noch gar nicht gesagt hast.«
    Arzee fiel die Kinnlade herunter. »Das heißt … das heißt, du hast es ihr gesagt, Phirozbhai?«
    »Das versuche ich dir doch gerade zu erklären«, sagte Phiroz und stieß den Finger in die Luft. »Woher sollte ich denn wissen, dass du es ihr noch nicht gesagt hattest?«
    »Ich hätte wissen müssen, dass so was passieren würde, Phirozbhai.

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