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Der kleine Koenig von Bombay

Der kleine Koenig von Bombay

Titel: Der kleine Koenig von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chandrahas Choudhury
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war Friseurin, und du hättest sie sehr gemocht. Aber dann ist etwas zwischen uns geschehen, und jetzt ist alles vorbei. Aber ich hätte es fast hingekriegt, Mutter. Dein Arzoo war wirklich kurz davor!«
    »Ich habe gedacht, dass ich es mit ins Grab nehmen würde, aber ich kann es nicht mehr für mich behalten!«, rief Mutter, und ein eigenartiges Zucken überlief ihr Gesicht. »Es ist nicht recht so, aber anders ist es auch nicht recht. Es ist überhaupt nicht recht! Aber das ist nicht allein meine Schuld.«
    »Hörst du mir überhaupt zu, Mutter? Wovon redest du da? Ich habe dir gerade von einem Mädchen erzählt, Mutter.«
    »Nur damit du mir keine Vorwürfe mehr machst – mich nicht verfluchst! –, weil du so klein bist«, rief Mutter, »hör mich an, Sohn. Ich bin gar nicht deine echte Mutter!«
    Ein langes Schweigen folgte. Die Welt schien zum Stillstand gekommen zu sein.
    »Äh … em?«, machte Arzee.
    »Deine leiblichen Eltern sind vor vielen Jahren auf See ums Leben gekommen.« Mutter bedeckte das Gesicht mit den Händen. »Wir haben dich als Kleinkind adoptiert, Arzee!«
    »Das ist doch absurd«, sagte Arzee. Er klappte all die aufgeschlagenen Fotoalben zu und stapelte sie aufeinander. »Du hast zu viele Fernsehserien angeguckt, Mutter. Und jetzt noch diese Nachricht – du bist völlig verwirrt. Es geht dir nicht gut, Mutter. Komm, leg dich ein bisschen auf Mobins Bett und –«
    »Es stimmt, mein Sohn!«
    »Das kann nicht sein, Mutter. Sei nicht albern!«
    »Doch, doch, es stimmt! Sie waren unsere Nachbarn, und du warst noch so klein, wir konnten dich einfach nicht deinem Schicksal überlassen.« Mutter stieß mit dem Knie ihre Teetasse zu Boden. »Wir hatten so lange keine Kinder, und dann warst plötzlich du da. Und eigentlich solltest du es nie erfahren, und alles wäre in bester Ordnung gewesen. Bloß bist du nicht richtig gewachsen und hast darunter gelitten, und während dein armer Vater von dieser Welt gegangen ist und seinen Frieden gefunden hat, habe ich mit dir gelitten! Sprich mich von dieser Verantwortung frei, Arzee. Nicht ich habe dich als Zwerg geboren, mein Sohn, nicht ich habe dich als Zwerg geboren!«
    Ein wildes Pochen erfüllte Arzees Brust, als versuchte etwas, aus seinem Körper auszubrechen. Sein Mund mit den großen Lippen arbeitete, versuchte vergebens, auch nur eine der tausend Fragen zu formulieren, die ihn wie Skorpione stachen. Innerhalb weniger Momente wurde er durch sein gesamtes Leben katapultiert, erfasste er die gewaltige Dimension dessen, was – wenn es stimmte, was Mutter da brabbelte – dahinter verborgen lag. Es war, als wäre er in den Babur hineingesaugt worden und würde, sich überschlagend, durch Hitze und Licht geschleudert. Nichts, aber auch gar nichts war so, wie er es gedacht hatte, und als er von dieserkurzen inneren Reise zurückkam, war er sich selbst fremd geworden.
    »Du meinst … dann … dann heiße ich in Wirklichkeit gar nicht Arzee, oder doch?«, fragte er mit gebrochenem Staunen, denn es war, als spräche er für zwei Personen innerhalb seines kleinen Körpers.
    »Nein, aber das spielt doch keine Rolle, Arzee! Du konntest noch nicht einmal sprechen, als das passiert ist, mein Kind. Du wusstest gar nicht, dass du einen Namen hast.«
    »Und was war mein echter Name?«
    »Das weiß ich nicht mehr, mein Sohn, also mach dir keine Gedanken darüber.«
    »Das weißt du doch noch, Mutter, das kannst du unmöglich vergessen haben!«
    »Es spielt keine Rolle, Sohn …«
    »Ich will es aber wissen!«
    »Ich glaube … ich glaube, du hießest Joseph.«
    »Wie kann ich denn Joseph geheißen haben, Mutter?«, fragte Arzee, dessen Augen sich jetzt mit Tränen füllten. »Warum machst du dich über mich lustig?«
    »Deine leiblichen Eltern waren Christen!« Mutter brach erneut in heftiges Schluchzen aus und begann sich abermals vor- und zurückzuwiegen. »Wir haben dich adoptiert, Sohn, und dich in unsere Welt aufgenommen.«
    »Sie waren … Christen?«, flüsterte Arzee, und es war, als hätten hundert Geister in seinen Körper Einzug gehalten, denn sein Gesichtsausdruck wandelte sich im Sekundentakt. Er blickte stumm auf den Boden, dann auf seine Füße, dann hob er den Kopf langsam wieder.
    »Und Mobin?«, fragte er.
    »Was ist mit Mobin, mein Sohn?«
    »Ist der auch adoptiert?«
    »Wie könnte er adoptiert sein, mein Sohn? Was redest du da?«
    »Also nur ich!«, rief Arzee. »Nur ich!«
    Zitternd sank er in die Hocke und begann die Porzellanscherben

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