Der kleine Lord
machte sich dies mit einem Entzücken und
einer Selbstlosigkeit zu nutze, die den würdigen Herrn sehr
ergötzten. In der Woche, ehe sie sich nach England
einschifften, geschahen merkwürdige Dinge, und dem Advokaten
blieb es unvergeßlich, wie sie morgens einen gemeinsamen
Besuch bei Dick machten, und wie sie nachmittags die Apfelfrau
»aus altem Geschlecht« in großes Erstaunen
versetzten durch die Mitteilung, daß ein Zelt und ein Ofen und
ein Shawl ihr zu teil werden solle, und überdies noch eine
Summe Geldes, die ihr ganz abenteuerlich vorkam.
»Denn ich muß nach England gehen und ein
Lord werden,« erklärte Ceddie mit herzgewinnender
Freundlichkeit. »Und ich möchte nicht, so oft es
regnet, an Ihre armen Knochen denken müssen. Meine Knochen
schmerzen mich nie, deshalb kann ich mir nicht recht vorstellen, wie
das ist, aber Sie haben mir immer sehr leid gethan und ich hoffe,
daß jetzt alles besser wird.«
»Sie ist eine sehr gute Frau,« sagte er zu
Mr. Havisham im Weggehen. »Einmal bin ich hingefallen und
hatte ein Loch im Knie, da hat sie mir einen Apfel geschenkt, das hab'
ich ihr nie vergessen. Sie wissen ja, das vergißt man nie,
wenn jemand uns etwas Gutes gethan hat.«
Die Besprechung mit Dick war sehr aufregend. Dick hatte eben
großen Verdruß mit Jack gehabt und war in sehr
gedrückter Stimmung, als sie ihn begrüßten.
Seine Verblüffung, als Cedrik ihm ganz ruhig mitteilte,
daß er aller Not ein Ende machen wolle, war derart,
daß er ganz sprachlos war. Lord Fauntleroys Art und Weise, den
Zweck seines Besuches darzulegen, war von größter
Einfachheit und Formlosigkeit, und auf den daneben stehenden Mr.
Havisham machte die Geradheit, mit der er auf sein Ziel lossteuerte,
großen Eindruck. Die Mitteilung, daß sein alter
Freund ein Lord geworden und in Gefahr stehe, ein Graf zu werden, wenn
er am Leben bleibe, veranlaßte Dick, Mund und Nase
aufzusperren und so erstaunt ins Blaue zu starren, daß ihm die
Mütze vom Kopfe fiel. Nachdem er dieselbe aufgehoben,
stieß er eine Bemerkung aus, die Mr. Havisham etwas
befremdete, Seiner Herrlichkeit aber nichts Neues zu sein schien.
»Was gibst du mir, wenn ich das Zeug glaube?«
Verletzt fühlte sich der kleine Lord keineswegs von
dieser Bemerkung, wohl aber versetzte ihn dieselbe in einige
Verlegenheit, aus der er sich aber tapfer herausarbeitete.
»Es denkt jeder, es sei nicht wahr,« sagte
er. »Mr. Hobbs meinte, ich hatte einen Sonnenstich. Anfangs
war es mir selbst auch gar nicht angenehm, aber nun habe ich mich schon
daran gewöhnt. Der, welcher jetzt Graf ist, der ist mein
Großpapa und der will, daß ich alles thun soll, was
mir Freude macht. Er ist sehr gütig, wenn er auch ein Graf
ist, und er hat mir durch Mr. Havisham eine Menge Geld geschickt, und
davon sollst du welches haben, um Jack auszubezahlen.«
Das Ende vom Liede war, daß Dick dies wirklich that,
und daß er mit neuen Bürsten, einem sehr in die Augen
fallenden Schilde und einer prächtigen Ausrüstung
Alleinherrscher in seinem Geschäfte wurde. Er konnte erst
ebensowenig an sein Glück glauben wie die Apfelfrau
»aus altem Geschlechte«; er starrte seinen
Wohlthäter ratlos an und erwartete jeden Augenblick,
daß der Traum ein Ende haben werde. Erst als Cedrik ihm die
Hand zum Abschied reichte, ward er sich der Thatsächlichkeit
des ganzen Vorganges bewußt.
»Und nun leb wohl,« sagte Ceddie mit einem
ernstlichen Versuche, ihn das Zittern seiner Stimme nicht merken zu
lassen, und mit einem etwas krampfhaften Zwinkern der großen
braunen Augen. »Ich hoffe, daß dein Geschäft
jetzt gut geht. Mir thut's leid, daß ich fort muß,
vielleicht komme ich wieder, wenn ich ein Graf bin, und hoffentlich
schreibst du mir auch, denn wir sind ja immer gute Freunde gewesen.
Hier hab' ich dir's aufgeschrieben, wie du die Adresse an mich machen
mußt, ich heiße nicht mehr Cedrik Errol, sondern Lord
Fauntleroy und – jetzt lebe wohl, Dick!«
Dick zwinkerte auch angestrengt mit den Augen, und doch waren
seine Wimpern verräterisch feucht. Er war kein sehr gebildeter
Schuhputzer, und es wäre ihm schwer geworden, seine
Empfindungen in Worte zu fassen, deshalb machte er auch gar keinen
Versuch dazu, sondern begnügte sich, zu blinzeln und etwas zu
verschlucken, was ihm immer wieder im Halse aufstieg.
»Wollte, du bliebest hier,« sagte er mit
heiserer Stimme. Dann lüftete er seine Mütze und
wandte sich an Mr.
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