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Der kleine Lord

Titel: Der kleine Lord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Hodgson Burnett
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Verhältnisse der englischen Aristokratie mit
großer Sachkenntnis. Mr. Hobbs dampfte sein edles Kraut dabei
und schüttelte sehr häufig das rundliche Haupt, am
häufigsten, als er dem mitfühlenden Dick die
denkwürdigen Scharten an den hohen Stuhlbeinen vorwies.
    »Die kommen von seinen
Füßchen,« sagte er nachdrücklich.
»Ich sitze oft stundenlang da und seh' mir sie an. Ja, ja, in
dieser Welt geht's bald auf, bald ab mit uns. Da saß er und
knabberte Biskuits aus der Büchse und Aepfel aus dem
Faß und warf das Kerngehäus auf die Straße
'naus, und jetzt sitzt er in einem Schlosse und ist ein Lord. Die
Scharten da an dem Stuhl haben eines Lords Stiefel geschlagen!
Manchmal, wenn ich daran denk', muß ich immer wieder sagen: Da
will ich mich doch gleich räuchern lassen.«
    Diese Betrachtungen und Dicks Besuch schienen seinem
Gemüt eine große Wohlthat zu gewähren. Ehe
Dick sich empfahl, ward in dem kleinen Ladenstübchen eine
Mahlzeit, bestehend aus Biskuits, Käse, Sardinen und einigen
andern Artikeln der Handlung abgehalten und Mr. Hobbs öffnete
nicht ohne eine gewisse Feierlichkeit eine halbe Weinflasche und
goß die Gläser voll.
    »Sein Wohl!« sprach er, »und er
soll denen drüben was zu raten aufgeben – den Grafen
und Marquisen und wie das Volk heißt.«
    Von da an ward der Verkehr fleißig fortgesetzt, und
Mr. Hobbs fühlte sich nun weit weniger vereinsamt und
verlassen. Sie lasen die Penny Story Gazette und vieles andre
miteinander und nahmen sichtlich zu an Verständnis
für die vornehme Welt, und zwar in einer Weise, welche
für die verhaßten Aristokraten manches Ueberraschende
gehabt haben würde. Eines Tages raffte sich Mr. Hobbs sogar zu
einem richtigen Bücherkauf auf und setzte den in der
Buchhandlung thätigen jungen Mann durch seine Frage nach einem
Buche über Grafen in einiges Erstaunen. Nachdem lang
über ein derartiges litterarisches Erzeugnis hin und her
geredet worden war und verschiedene Mißverständnisse
sich aufgehellt hatten, trat Mr. Hobbs im Besitz von »Der
Tower von London von Mr. Harrison Ainsworth« hochbefriedigt
den Rückweg an.
    Sobald Dick erschien, machten sie sich über die neue
Erwerbung her, und es zeigte sich, daß es ein höchst
wunderbares und spannendes Buch war, welches in der Zeit der
sogenannten »Blutigen Maria« spielte. Als sie nach
und nach daraus ersahen, wie sehr es zu den Liebhabereien dieser
englischen Königin gehört hatte, den Leuten die
Köpfe abzuhacken und sie lebendig zu verbrennen, geriet Mr.
Hobbs in große Unruhe.
    Freilich hatten seine Zeitungen, soviel er sich erinnern
konnte, aus unsrer Zeit derartige Dinge nicht gemeldet, aber was
ließ sich nicht erwarten von einem Land, das einmal eine
solche Königin hervorgebracht hatte, und das auch jetzt wieder
unter der Oberhoheit eines weiblichen Wesens stand, was Mr. Hobbs in
seiner Eigenschaft als überzeugter Junggeselle ohnehin nicht
billigen konnte? Was ließ sich erwarten von einem Volk, das,
wie Mr. Hobbs »hatte sagen hören«, nicht
einmal den vierten Juli feierte!
    Mehrere Tage trug Mr. Hobbs bange Sorge im Herzen, und erst
als Fauntleroys Brief eintraf, wurde ihm etwas leichter zu Mut. Er las
ihn mehrmals, für sich allein und mit Dick, und auch den
Brief, welchen Dick um dieselbe Zeit erhielt, studierte er
gründlich. Beide waren sehr glücklich im Besitz
dieser Schriftstücke, deren Inhalt und Wortlaut sie eingehend
miteinander besprachen. Die Antworten nahmen Tage in Anspruch und
wurden fast ebenso oft überlesen und überlegt, wie
die kürzlich empfangenen Briefe.
    Für Dick war es ohnehin kein leichtes Stück
Arbeit, einen Brief zu schreiben. Was er von den Geheimnissen der Lese-
und Schreibekunst sein eigen nannte, hatte er in ein paar Monaten, in
denen er eine Abendschule besuchen konnte, erworben – es war
zu der Zeit gewesen, als er mit seinem älteren Bruder
zusammenlebte. Er war ein aufgeweckter Bursche und hatte diese einzige
Gelegenheit, sich zu bilden, wohl zu benutzen gewußt und sich
von da an durch anfangs äußerst mühsames
Zeitungslesen weitergeholfen: das Schreiben aber konnte nur durch
gelegentliche Versuche mit einem Kreidestücke auf Mauern oder
Trottoir fortgesetzt werden. Er erzählte Mr. Hobbs vieles von
seinem Leben und dem älteren Bruder, der nach Kräften
gut gegen ihn gewesen war, nachdem er als kleiner Kerl schon Vater und
Mutter verloren hatte. Der Bruder hieß Ben und hatte

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