Der kleine Mann
Oberkellner endlich den Mokka mit zwei Löffeln. „Einen schönen Gruß von der Kaffeeköchin, und den kleinen Löffel schenkt sie dem Kleinen Mann. Es war der kleinste Löffel, den sie in der Küche auftreiben konnte.“
„Und warum kriege ich ihn geschenkt?“ fragte Mäxchen verwundert.
Der Oberkellner machte eine tiefe Verbeugung. „Zur bleibenden Erinnerung an den Tag, an dem du berühmt geworden bist. Die Kaffeeköchin hat das heutige Datum mit einer Spicknadel im Löffel eingeritzt.“
„Mit der Spicknadel?“ fragte der Kleine Mann.
„Ganz recht“, erwiderte der Oberkellner. „Sie dient sonst zum Spicken von Hasen- und Rehrücken. Die Köchin fand nichts Spitzeres.“
„Vielen, vielen Dank“, sagte Mäxchen. „Und die Kaffeeköchin glaubt, ich bin jetzt berühmt?“
„Das denkt nicht nur die Kaffeeköchin!“ rief da eine Frauenstimme. Die übermütige Stimme gehörte dem Fräulein Rosa Marzipan. „Da bin ich!“ erklärte das Marzipanmädchen. „Draußen vorm Hotel lauern schon die ersten Journalisten und Fotografen und Onkels vom Rundfunk. Aber der Portier läßt sie nicht herein.“
„Sein Glück!“ knurrte der Professor. „Und wieso hat er dich hereingelassen?“
„Ich weiß es ganz genau!“ rief der Kleine Mann und rieb sich die Hände. „Sie hat ihn angesehen und mit den Augen geklimpert!“
„Erraten!“ sagte Fräulein Rosa. „Er schmolz wie Schokoladeneis auf der Zentralheizung. Die Putzfrau mußte kommen und den Rest wegwischen.“ Dann gab sie Mäxchen einen kleinen Kuß, weil er so klein war, und dem Jokus einen noch kleineren, weil er so groß war. „Und jetzt habe ich Appetit“, erklärte sie energisch.
„Auf einen Kuß von uns?“ fragte der Professor.
„Nein, auf Rehrücken“, antwortete sie. „Auf gespickten Rehrücken mit Kartoffelkroketten und Preiselbeeren. Und ihr dürft kosten.“
Da nahm der Oberkellner die Beine unter den Arm.
Nach dem Essen sagte sie: „So ist das Leben, meine Herren Freunde. Mir hat es geschmeckt, ihr seid berühmt, und Meister Galoppinski braucht eine neue Reitpeitsche.“
„Warum denn?“ fragte Mäxchen wißbegierig.
„Weil die alte in Stücke ging“, berichtete das Fräulein. „Sie kam einige Minuten mit dem Clown Fernando in Tuchfühlung. Das war für die arme Peitsche zuviel. Für Fernando übrigens auch.“
„Wegen der vertauschten Fräcke?“
Rosa nickte. „Ganz recht. Dabei wollte der Clown ja gar nicht den Reiter und das Pferd blamieren, sondern einen gewissen Jokus.“
„Den Jokus?“ Der Kleine Mann war perplex. „Fernando ist eifersüchtig. Weil er glaubt, der Jokus sei in mich verliebt.“
„Das stimmt doch auch!“ rief Mäxchen.
Da wurde der Zauberkünstler rot wie eine Blutapfelsine und hätte sich, wenn er’s gekonnt hätte, auf der Stelle fortgehext. Oder in eine Zahnbürste verwandelt. Doch das können nur ganz echte Zauberer.
Fräulein Rosa Marzipan blickte ihn mit funkelnden Augen an. „Ist das wahr?“ fragte sie und stand langsam auf. „Ist das wahr?“ wiederholte sie drohend.
„Jawohl“, bemerkte der Jokus finster und betrachtete seine Schuhspitzen, als habe er sie noch nie gesehen.
„Ich könnte dir die Ohren abreißen“, schimpfte sie. „Warum hast du mir das nicht gesagt, du Schurke? Warum bist du nicht längst vor mir in die Knie gesunken, du Elender? Warum hast du mich nicht angefleht, dir mein Marzipanherz zu schenken, du Faultier?“
Der Professor sagte: „Ich werde dir gleich die Hosen straffziehen!“
Da warf sie die Arme hoch und rief begeistert: „Endlich! Das erste liebe Wort!“ Dann fiel sie ihm um den Hals, daß die Teller klirrten.
Mäxchen rieb sich wieder einmal die Hände.
Nach fünf Minuten flüsterte Rosa Marzipan: „Schade um jeden Tag, den ich’s nicht wußte! Wir haben viel Zeit verloren.“
„Mach dir nichts draus“, sagte der Jokus. „Du bist ja noch jung.“
„Freilich“, meinte sie. „Und Marzipan hält sich lange frisch.“
Nach weiteren fünf Minuten hüstelte jemand neben ihnen. Es war der Oberkellner. „Einen schönen Gruß von Mäxchen.“
„Wo ist er denn?“ riefen beide wie aus einem Munde. Sie wurden vor Schreck weiß wie das Tischtuch.
„Oben im Zimmer. Ich mußte ihn im Lift hinaufbringen. Er sitzt im Blumentopf auf dem Balkon und sei sehr vergnügt, läßt er ausrichten.“
„Schrecklich“, murmelte der Professor, als der Oberkellner gegangen war, „Wir haben überhaupt nichts gemerkt. Ich bin ein
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