Der kleine Nadomir
Taktik, keine Strategie. Alles war viel primitiver. Jeder gegen jeden. Und wie Sadagar bald feststellte, waren die Angreifer in der Überzahl.
Ein finster blickender Mann stürmte auf Sadagar zu. Drohend schwang er die blutverschmierte Axt. Ein gut gezieltes Messer riss den Krieger in den Schnee.
Sadagar zog sich ein paar Schritte zurück. Er hatte schon viele Kämpfe miterlebt, und daher merkte er bald, dass die Anhänger des Kleinen Nadomir die viel geschickteren Kämpfer waren.
Zu seiner größten Überraschung beteiligte sich auch Nottr am Kampf. Er war weiter auf dem Weg der Besserung. Er stieß grimmige Schreie aus und schwang sein Krummschwert wie in alten Tagen. Neben ihm stemmten sich Tordo und Olinga den Angreifern entgegen. Die Reihen der Alb-Krieger lichteten sich immer mehr. Ihre blindwütig vorgetragenen Angriffe waren leicht abzuwehren.
Sadagar griff nur noch einmal ein, als er bemerkte, dass Tordo in Bedrängnis kam, da er von zwei Kriegern angegriffen wurde. Ein Messerwurf, und die Sache war erledigt.
Es dauerte nicht lange, und die Angreifer zogen sich zurück. Ihre Verwundeten und Toten nahmen sie mit. Nottr wollte sie verfolgen, doch der Kleine Nadomir hielt ihn zurück. »Es wurde genug Blut vergossen«, sagte der Gnom.
Die Alb-Krieger hatten ihr Ziel teilweise erreicht. Das Lager war fast völlig zerstört. Von den zehn Schlitten waren nur mehr drei verwendbar. Mehr als die Hälfte der Hunde war tot oder so schwer verletzt, dass sie sterben mussten.
Bei dem Angriff waren drei Männer und eine Frau getötet worden. Zehn hatten böse Verletzungen erlitten, und die anderen waren mit unwesentlichen Verwundungen davongekommen.
Sadagar und Olinga kümmerten sich um die Verletzten, während der Kleine Nadomir und die unverletzten Jäger das Lager zusammenräumten und die Gegenstände bargen, die noch zu verwenden waren.
»Die Schwerverletzten werden zurück zum Winterlager gebracht«, sagte der Kleine Nadomir. »Das werden die leichter Verletzten besorgen.« Niemand widersprach.
Einige der Jäger begannen das Mammut geschickt zu zerlegen. Sein Fleisch stellte eine willkommene Abwechslung dar. Kurze Zeit später durchzogen die ersten Bratendüfte das zerstörte Lager. Die Verwundeten wurden auf die Schlitten gebettet. Dann brachen sie auf, zurück zum Winterlager der Heusen.
Sadagar blickte über das Häufchen derjenigen, die weiterhin den Kampf gegen den Alb aufnehmen wollten. Außer seinen beiden Freunden und dem Kleinen Nadomir waren noch Tordo und Olinga und sechs vom Stamm der Heusen dabei. Insgesamt also nur zwölf Personen.
Sie stapften im Gänsemarsch durch den immer tiefer werdenden Schnee. Das Gelände wurde hügeliger. Der Schneefall verstärkte sich, und kräftiger Wind kam auf. Aber trotz der widrigen Umstände kamen sie rasch vorwärts.
Einmal sahen sie in der Ferne ein paar Alb-Krieger, die grimmig zu ihnen herüberstarrten, sich aber nicht näherten. Nun waren auch häufiger die großen Steinbrocken zu sehen, die von den Alb-Anhängern für den Straßenbau verwendet wurden. Aber keiner der feindlichen Krieger ließ sich mehr blicken.
Sadagar fühlte sich immer unbehaglicher, je mehr sie sich dem mächtigen Berg näherten, der ihnen den Weg zum Tal der Riesen versperrte. Eigentlich erwartete er jeden Augenblick einen Überfall der Alb-Krieger, der aber zu seiner größten Überraschung ausblieb. Die ganze Landschaft schien ihnen allein zu gehören. Nur das Säuseln des Windes begleitete sie.
In einer der eisbedeckten Felswände klaffte eine dunkle Öffnung: der Eingang zum Tunnel.
Plötzlich war wieder die Angst da, die Sadagar die ganze Zeit verdrängt hatte. Nur zu deutlich erinnerte er sich an seine Furcht, die er vor ein paar Tagen empfunden hatte, als sie mit den Cherebern den kurzen Tunnel durchquert hatten. Vergeblich versuchte er, seine angespannten Sinne zu beruhigen.
Er seufzte tief auf, als sie vor einer etwa zweihundert Fuß hohen Steilwand stehenblieben. Klettern war noch nie seine Stärke gewesen.
Sie kamen nur langsam vorwärts. In den Ritzen lag der Schnee, und jeder Schritt musste genau geprüft werden. Sadagar begann zu keuchen. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, ehe er endlich die Steilwand überwunden hatte.
Der Himmel wurde zusehends dunkler. Die großen Schneeflocken fielen gleichmäßig. Vor ihnen lag nun ein sanft ansteigendes Schneefeld.
Immer wieder hob Sadagar hoffnungsvoll den Kopf, doch die Tunnelöffnung war nicht zu sehen. Und wieder
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