Der Kleine Prinz Kehrt Zurück
Affenbrotbäume, die in ihrer gewohnten Dreistigkeit die Gelegenheit zu ungehemmtem Wachstum schamlos nutzen und der Rose die nährenden Himmelsstrahlen streitig machen würden.
Die Sonne ließ sich theatralisch in die Fluten sinken und geizte dabei nicht mit ihren Reizen, damit das Publikum ihr beim Abgang auch die gebührende Bewunderung zollte. Die schaumgekrönten Wellen gürteten sich mit Ambra und Purpur, und am Horizont lieferten sich Azur und Karmesin eine letzte Schlacht, bevor das Leichentuch der Nacht ihre lodernde Zwietracht erstickte. Tausende von Sternen durchstachen wie funkelnde Geschmeide den dunkelsamtenen Baldachin, der über uns schwebte, und in der Ferne leuchtete still der Diamantenfluß der Milchstraße.
»Und welcher ist dein Stern?« fragte ich, in der Hoffnung, er würde den Arm heben und in eine Richtung, auf einen bestimmten Punkt zeigen.
Doch er dachte gar nicht daran.
»Was bedeutet das schon? Wenn man fern der Heimat ist, hat man sie hier«, sinnierte er und legte seine Hand auf die Brust, wo das Herz schlägt.
Schweigend stimmte ich ihm zu. So sehr ich meine Reise trotz allen Widrigkeiten genoß, so sehr hätte ich mich auch gefreut, meinen Sessel wiederzusehen, mein Fleckchen Rasen, mein Stückchen grauen Himmels.
»Weißt du«, fiel ihm plötzlich ein, »ich habe einmal jemanden kennengelernt, der so ähnlich war wie du. Er ist auch von seinem Weg abgekommen, und am Abend haben wir gemeinsam die Sterne bewundert, wie wir jetzt. Sie waren seine besten Freunde in der Einsamkeit der Wüste.«
Unvermittelt fragte er mich, ob ich von Ihnen Neuigkeiten hätte, lieber Herr von Saint-Exupery, denn natürlich waren Sie es, von dem er sprach. Ich bedauerte, daß ich nichts von Ihnen wußte, und er wunderte sich, daß ich Sie nicht kannte. Ich erklärte ihm, daß die Erde sehr groß sei und von Menschen nur so wimmelte, daß es mehr als ein Leben brauchte, sie alle kennenzulernen, und daß es vermessen wäre, etwas anderes zu behaupten.
Um seine düstere Stimmung aufzuhellen, fragte ich ihn, ob er noch weitere Planeten gesehen habe, bevor er auf unserem gelandet sei.
»Ja, zwei«, antwortete er. »Und auf dem ersten habe ich eine Rose entdeckt.«
Es war ein mittlerer Asteroid, umfangreicher als sein eigener, wenn auch nicht so groß, daß man ihn nicht zu Fuß hätte umrunden können. Eine zweifarbige Linie trennte ihn in zwei Hälften. Auf dieser Linie wuchs die Rose.
Der kleine Prinz war kaum gelandet, als ein von Kopf bis Fuß grün angezogener Mann ihn anhielt.
»Halt! Grün oder Rot?« bellte er und richtete ein metallenes
Rohr auf ihn.
»Grün«, sagte der kleine Prinz sofort, weil er dachte, der
andere meinte seinen eigenen Aufzug.
Ein Lächeln entspannte dessen Gesicht. Er ließ sein Rohr
sinken.
»Tut mir leid, Kamerad. Du mußt schon entschuldigen, aber
Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Deine Verkleidung
hat mich getäuscht.«
Der kleine Prinz sah an sich herab. Er trug das Gewand und
den Mantel, die er oft anhatte, wenn er auf Reisen ging. Da entdeckte der Grünrock die Kiste, und sein Blick wurde
hart.
»Was versteckst du da drin?« wollte er wissen.
»Ein Schaf.«
Das Rohr des Grünrocks hob sich merklich.
»Aha. Farbe?«
Der kleine Prinz lachte hellauf.
»Weiß natürlich! Was denkst du denn?«
»Haha, bin ich blöde!« lachte der Grünrock gezwungen. »Das
ist gut!«
»Und du«, fragte der kleine Prinz und deutete auf das Rohr,
das der merkwürdige Geselle in der Hand hielt, »was hast du
da?«
»Ein Jagdgewehr, ist doch klar.«
Der kleine Prinz war begeistert. Ein Jäger, endlich! »Jagst du auch Tiger?«
»Tiger?« wunderte sich der Grünrock. »Nein. Mir reichen die
Roten.«
Enttäuscht sank der kleine Prinz in sich zusammen. Würde er
denn niemals finden, was er suchte?
»Gehn wir«, sagte der Grünrock. »Ich muß an der Grenze
Wache schieben.«
Sie gingen eine Weile schweigend an der rotgrünen Linie
entlang. Dann sahen sie die Rose.
Es war eine sehr junge Rose, die sich noch scheu und
verschämt in ihre Knospe hüllte. Der Grünrock warf ihr einen
mißtrauischen Blick zu.
»Was meinst du, Kamerad? Rot oder grün?«
»Ich habe noch nie grüne Rosen gesehen«, gab der kleine
Prinz zu. »Gelbe schon. Oder weiße. Aber grüne noch nie.« »Tja«, sagte der Grünrock, »Pech für sie«, und zertrat sie
wutentbrannt mit seinem großen grünen Stiefel.
Mit einem Ausruf des Schreckens ließ der kleine Prinz sich
auf die Knie fallen, um ihr zu helfen, doch
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