Der Kleine Prinz Kehrt Zurück
ein seltsames Wesen. Er duldet um sich nur Untertanen, auch bei seinesgleichen. Alles wird organisiert, klassifiziert, reglementiert und einsortiert. In Wirklichkeit ist er unfähig, sich selbst zu beherrschen. Auf sich gestellt, verübt er die schlimmsten Greueltaten. Dahinter steckt viel verletzter Stolz. Der Mensch hält sich nämlich für den Nabel der Welt, aber er ist klein, und die Welt ist so groß, daß sie sich auch ohne ihn weiter dreht. Diese Erkenntnis empfindet er als Schmach, und in seiner Enttäuschung versucht er, alles seinem Kommando zu unterstellen.«
»Auf meinem Planeten kann jeder ohne Einschränkung tun und lassen, was er will«, sagte der kleine Prinz. »Allerdings lebe ich dort allein mit meiner Blume und meinem Schaf.«
»Dann bist du sehr glücklich«, erwiderte der Löwe.
Der kleine Prinz dankte ihm fü r seine Liebenswürdigkeit und ging aufs Geratewohl weiter. Mochte der Zufall seine Schritte lenken! Früher oder später würde er ganz sicher jemanden treffen, der Bescheid wüßte.
Seine Wanderschaft führte ihn über schwindelerregende Gipfel und endlose Ebenen, durch unermeßliche Wüsten und undurchdringliche Wälder. Lange Zeit war das Schaf seine einzige Gesellschaft. Der Planet war so groß, daß er nur selten einem Tier oder einem Menschen begegnete, die er nach Auskunft fragen konnte. Und ihre Angaben waren so ungenau, daß sie ihm nicht weiterhalfen. Schließlich kam er zu einer Straße, die wie eine graue Betonnarbe die Ödnis entzweischnitt. Wohin er auch schaute - nach vorne, nach hinten, nach links, nach rechts -, erstreckte sich, so weit das Auge reichte, eine endlose Schotterlandschaft, auf der ein paar vereinzelte Pflanzen sich mit der ihnen eigenen Beharrlichkeit mühten, Wurzeln zu schlagen und zu wachsen.
Seit einer Ewigkeit war der kleine Prinz schon auf dieser Straße unterwegs, in anscheinend immergleicher Entfernung zwischen den Horizonten, als ein Geknatter, das sich mit ohrenbetäubendem Crescendo von hinten näherte, die Stille zerriß. Dann hielt ein Wagen neben ihm, in Wolken von ekelerregendem Gestank und aufgewirbeltem Staub. Ein Mann stieg heraus und fragte mitfühlend:»Hast du dich verirrt, mein Kind?«
»Nein«, gab der kleine Prinz schlicht zur Antwort. »Was machst du auf dieser einsamen Straße, die aus dem
Nirgendwo kommt und stets dahin zurückkehrt, mutterseelenallein mit deinem wolligen Freund?«
»Ich suche einen Tigerjäger.«
Diese Antwort verblüffte den Unbekannten. Auf seine Stirn zeichneten sich die Linien der Verwirrung.
»Das verstehe ich nicht«, sagte er bekümmert. »Kannst du es mir erklären?«
Der kleine Prinz widmete sich dieser Aufgabe mit Anmut. Er erzählte von seinem Planeten, von seinen Vulkanen, seiner Blume und seinem Schaf, berichtete vom Auftritt des Tigers und den dramatischen Veränderungen, die sich daraus ergeben hatten, und schilderte seine Reise von Stern zu Stern bis auf die Erde.
Der Mann hörte zu, ohne ihn zu unterbrechen, und nickte nur von Zeit zu Zeit ernst mit dem Kopf. Als der Bericht zu Ende war, schien er zu überlegen, dann schlug er vor:»Komm mit zu mir. Ich kenne zwar keinen Tigerjäger, aber meine Freunde sind Legion. Erzähle ihnen deine Geschichte. Es müßte schon mit dem Teufel zugehen, wenn dir keiner helfen könnte.«
Der kleine Prinz wog das Für und Wider ab und kam zu dem Ergebnis, daß dieser Vorschlag so gut war wie ein anderer. Und da ihm von seinem langen Marsch die Glieder schwer geworden waren, nahm er dankbar an. Er wollte nur so bald wie möglich nach Hause zurückkehren, denn seine Rose fehlte ihm schrecklich.
Der Mann nahm sie mit, sein Schaf und ihn, und brachte sie in sein weitläufiges, prunkvolles Haus, in dem Luxus und Reichtum herrschten. Sogleich rief er seine Freunde, die in großer Zahl eintrafen. Der kleine Prinz wiederholte seine Geschichte, sie hörten aufmerksam, fast ehrerbietig zu und bekundeten ihren Beifall, indem sie gelegentlich mit dem Kopf nickten. Nur fand sich bedauerlicherweise kein Tiger Jäger unter ihnen. Sie wurden von anderen Neugierigen abgelöst, und diese wieder von anderen. Dann klopften die, die schon dagewesen waren, noch einmal an, um die Geschichte ein zweites Mal zu hören. Sie schienen ihrer nicht müde zu werden, und das Haus wurde nicht mehr leer. Einzig die Tiger Jäger glänzten weiterhin durch Abwesenheit.
Bald begannen die Zuhörer Fragen zu stellen. So wollten sie wissen, was die Rose zu bedeuten habe.
»Nichts«, sagte
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