Der Klient
vor, diesen Jungen im Gefängnis zu lassen«, sagte er mit Blick auf Reggie. »Vielleicht ein paar Tage, aber nicht lange. Es liegt auf der Hand, daß er über wichtige Informationen verfügt, und es ist seine Pflicht, sie preiszugeben.«
Fink begann zu nicken.
»Er hat Angst, und das können wir alle verstehen. Vielleicht läßt er sich zur Aussage überreden, wenn wir ihm und seiner Mutter und seinem Bruder Sicherheit garantieren können. Vielleicht kann Mr. Lewis uns da weiterhelfen. Ich bitte um Vorschläge.«
K. O. Lewis war bereit. »Euer Ehren, wir haben vorbereitende Schritte unternommen, um ihn in unser Zeugenschutzprogramm aufzunehmen.«
»Ich habe davon gehört, Mr. Lewis, aber die Details sind mir unbekannt.«
»Es ist ziemlich einfach. Wir bringen die Familie in eine andere Stadt. Wir verschaffen ihr eine neue Identität. Wir finden einen guten Job für die Mutter und besorgen ihnen eine anständige Unterkunft. Keinen Wohnwagen oder eine Mietwohnung, sondern ein eigenes Haus. Wir sorgen dafür, daß die Jungen eine gute Schule besuchen können. Es gibt ein bißchen Bargeld auf die Hand. Und wir bleiben immer in der Nähe.«
»Hört sich verlockend an, Ms. Love«, sagte Harry.
Das tat es allerdings. Im Augenblick hatten die Sways kein Heim. Dianne arbeitete in einer Ausbeuterfirma. Sie hatten keine Verwandten in Memphis.
»Zur Zeit sind sie hier angebunden«, sagte sie. »Ricky muß im Krankenhaus bleiben.«
»Wir haben bereits eine kinderpsychiatrische Klinik in Portland ausfindig gemacht, die ihn sofort aufnehmen kann«, erklärte Lewis. »Es ist eine Privatklinik, kein Wohlfahrtskrankenhaus wie St. Peter’s hier, und außerdem eine der besten im Lande. Sie nehmen ihn auf, wann immer wir darum bitten, und natürlich kommen wir für die Kosten auf. Wenn er entlassen ist, bringen wir die Familie in eine andere Stadt.«
»Wie lange wird es dauern, die Familie in das Programm aufzunehmen?«
»Weniger als eine Woche«, erwiderte Lewis. »Für Direktor Voyles hat diese Sache absolute Priorität. Der Papierkram dauert ein paar Tage, neuer Führerschein, neue Sozialversicherungsnummer, Geburtsurkunden, Kreditkarten und dergleichen. Die Familie muß sich entscheiden, ob sie es tun will, und die Mutter muß uns sagen, wohin sie will. Danach übernehmen wir.«
»Was meinen Sie, Ms. Love?« fragte Harry. »Wird Ms. Sway das akzeptieren?«
»Ich werde mit ihr reden. Im Augenblick steht sie unter enormem Streß. Das eine Kind liegt im Koma, das andere ist im Gefängnis, und sie hat bei dem Brand vergangene Nacht alles verloren. Der Gedanke, mitten in der Nacht davonzulaufen, wird ihr gar nicht behagen, zumindest im Moment nicht.«
»Aber Sie werden es versuchen?«
»Das werde ich.«
»Meinen Sie, daß sie morgen hier sein könnte? Ich würde gern mit ihr sprechen.«
»Ich werde den Arzt fragen.«
»Gut. Die Sitzung ist vertagt. Wir sehen uns morgen mittag um zwölf wieder.«
Der Gerichtsdiener übergab Mark zwei Polizisten in Zivil, die ihn durch eine Seitentür zum Parkplatz führten. Als sie verschwunden waren, stieg der Aufseher die Treppe zum zweiten Stock empor und betrat eine leere Toilette. Leer bis auf Slick Moeller.
Sie standen vor den Becken, Seite an Seite, und betrachteten die Graffiti.
»Sind wir allein?« fragte der Aufseher.
»Ja. Was ist passiert?« Slick hatte den Reißverschluß seiner Hose geöffnet, beide Hände lagen auf den Hüften. »Machen Sie schnell.«
»Der Junge wollte nicht reden, also geht er wieder ins Gefängnis. Mißachtung.«
»Was weiß er?«
»Ich würde sagen, er weiß alles. Das ist ziemlich offensichtlich. Er hat gesagt, er wäre in Cliffords Wagen gewesen, sie hätten über dieses und jenes geredet, und als Harry ihm Fragen über die Sache in New Orleans stellte, hat er sich auf den Fünften Verfassungszusatz berufen. Zäher kleiner Bengel.«
»Aber er weiß Bescheid?«
»Ganz bestimmt. Aber er verrät es nicht. Der Richter läßt ihn morgen mittag um zwölf wieder vorführen, um zu sehen, ob er es sich nach einer Nacht im Knast anders überlegt hat.«
Slick zog seinen Reißverschluß zu und trat vom Becken zurück. Er zog einen zusammengefalteten Hundert-Dollar-Schein aus der Tasche und gab ihn dem Aufseher.
»Von mir haben Sie das nicht erfahren«, sagte der Aufseher.
»Sie vertrauen mir doch, oder?«
»Natürlich.« Und das tat er. Maulwurf Moeller gab nie seine Informanten preis.
Moeller hatte drei Fotografen an verschiedenen Stellen in der
Weitere Kostenlose Bücher