Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Klient

Titel: Der Klient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
sie unter dem Dreifuß verschwunden war. Er dachte abermals an den verdammten Lügendetektor. Reggie hatte gesagt, sie würde alles tun, um ihm das zu ersparen, aber was war, wenn der Richter es anordnete?
    Die lange Pause vor seiner Antwort sagte alles. Finks Herz hämmerte, und sein Puls hatte sich verdreifacht. Aha! Der kleine Bastard weiß es tatsächlich!
    »Ich glaube nicht, daß ich diese Frage beantworten will«, sagte er, starrte auf den Fußboden, wartete darauf, daß die Spinne wieder zum Vorschein kam.
    Fink warf einen hoffnungsvollen Blick auf den Richter.
    »Mark, sieh mich an«, sagte Harry wie ein gütiger Großvater. »Ich möchte, daß du die Frage beantwortest. Hat Mr. Clifford Barry Muldanno oder Boyd Boyette erwähnt?«
    »Kann ich mich auf den Fünften Verfassungszusatz berufen?«
    »Nein.«
    »Warum nicht? Er gilt doch auch für Kinder, oder etwa nicht?«
    »Das schon, aber nicht in dieser Situation. Du bist nicht in den Mord an Senator Boyette verwickelt. Du bist in überhaupt kein Verbrechen verwickelt.«
    »Weshalb haben Sie mich dann ins Gefängnis gesteckt?«
    »Ich werde dich dahin zurückschicken, wenn du meine Fragen nicht beantwortest.«
    »Ich berufe mich trotzdem auf den Fünften Verfassungszusatz.«
    Sie starrten einander an, Zeuge und Richter, und der Zeuge blinzelte als erster. Seine Augen wurden feucht, und er schnüffelte zweimal. Er biß sich auf die Lippe, kämpfte gegen das Weinen an. Er umklammerte die Armlehnen und drückte zu, bis seine Knöchel weiß waren. Tränen rollten ihm über die Wangen, aber er starrte weiterhin in die dunklen Augen des Ehrenwerten Harry Roosevelt.
    Die Tränen eines unschuldigen kleinen Jungen. Harry drehte sich zur Seite und holte aus einer Schublade unter dem Tisch ein Taschentuch heraus. Auch seine Augen waren feucht.
    »Möchtest du mit deiner Anwältin sprechen, allein?« fragte er.
    »Wir haben schon miteinander gesprochen«, sagte Mark mit versagender Stimme. Er wischte sich das Gesicht mit einem Ärmel ab.
    Fink war einem Herzstillstand nahe. Er hatte soviel zu sagen, so viele Fragen an diesen Bengel, so viele Vorschläge für das Gericht, wie diese Sache zu handhaben war. Der Junge wußte Bescheid, verdammt noch mal! Bringen wir ihn zum Reden!
    »Mark, ich tue das nur ungern, aber du mußt meine Fragen beantworten. Wenn du dich weigerst, machst du dich der Mißachtung des Gerichts schuldig. Verstehst du das?«
    »Ja, Sir. Reggie hat es mir erklärt.«
    »Und hat sie dir auch erklärt, daß ich dich, wenn du dich der Mißachtung des Gerichts schuldig machst, in die Jugendhaftanstalt zurückschicken kann?«
    »Ja, Sir. Sie können es ein Gefängnis nennen, wenn Sie wollen, das macht mir nichts aus.«
    »Danke. Willst du zurück ins Gefängnis?«
    »Eigentlich nicht, aber ich weiß nicht, wo ich sonst hin soll.« Seine Stimme war kräftiger, und die Tränen flossen nicht mehr. Der Gedanke an das Gefängnis war jetzt, da er es kennengelernt hatte, gar nicht mehr so beängstigend. Er würde es ein paar Tage durchstehen. Möglicherweise würde er sogar länger durchhalten als der Richter. Er war sicher, daß in allernächster Zukunft sein Name wieder in der Zeitung stehen würde. Und die Reporter würden zweifellos herausbekommen, daß Harry Roosevelt ihn hinter Schloß und Riegel gebracht hatte, wenn er nicht redete. Und bestimmt würden sie dem Richter die Hölle heiß machen, weil er einen kleinen Jungen einsperrte, der nichts verbrochen hatte.
    Reggie hatte ihm gesagt, er könnte es sich jederzeit anders überlegen, wenn er das Gefängnis satt hatte.
    »Hat Mr. Clifford dir gegenüber den Namen Barry Muldanno erwähnt?«
    »Ich berufe mich auf den Fünften.«
    »Hat Mr. Clifford dir gegenüber den Namen Boyd Boyette erwähnt?«
    »Ich berufe mich auf den Fünften.«
    »Hat Mr. Clifford irgend etwas über den Mord an Boyd Boyette gesagt?«
    »Ich berufe mich auf den Fünften.«
    »Hat Mr. Clifford irgend etwas über den gegenwärtigen Ort der Leiche von Boyd Boyette gesagt?«
    »Ich berufe mich auf den Fünften.«
    Harry nahm zum zehnten Mal seine Lesebrille ab und rieb sich das Gesicht. »Du kannst dich nicht auf den Fünften Verfassungszusatz berufen, Mark.«
    »Ich habe es gerade getan.«
    »Ich befehle dir, diese Fragen zu beantworten.«
    »Ja, Sir. Es tut mir leid.«
    Harry ergriff einen Stift und begann zu schreiben.
    »Euer Ehren«, sagte Mark. »Ich respektiere Sie und das, was Sie zu tun versuchen. Aber ich kann diese Fragen nicht

Weitere Kostenlose Bücher