Der Klient
Freitag, also sieht es so aus, als würde der Junge übers Wochenende dort bleiben, wo er jetzt ist. Und ich bin sicher, der Richter wird uns am Montag zu einem weiteren Plauderstündchen zu sich bitten.«
»Kommen Sie hierher zurück, Tom?« fragte Roy.
»Ja, ich nehme eine Maschine, die in zwei Stunden abgeht, und fliege morgen früh wieder retour.« Finks Stimme klang jetzt sehr erschöpft.
»Ich werde heute abend hier auf Sie warten, Tom. Gute Arbeit.«
»Ja.«
Fink legte auf, und Roy drückte auf den Schalter.
»Gehen Sie zur Anklagejury«, fuhr er Wally an, der vom Schreibtisch heruntersprang und zur Tür eilte. »Sagen Sie Hoover, er soll eine kurze Pause machen. Es dauert nur eine Minute. Besorgen Sie mir die Mark-Sway-Akte. Informieren Sie den Leiter der Gerichtskanzlei, daß die Vorladungen bis zu ihrer Zustellung morgen am späten Nachmittag versiegelt werden sollen.«
Wally war zur Tür hinaus und verschwunden. Foltrigg kehrte ans Fenster zurück und murmelte: »Ich wußte es! Ich wußte es einfach!«
Der Polizist in Zivil unterschrieb auf Doreens Clipboard und verschwand mit seinem Partner. »Komm mit«, sagte sie zu Mark, als hätte er abermals gesündigt und als wäre sie mit ihrer Geduld am Ende. Er folgte ihr und beobachtete, wie ihr geräumiges Hinterteil in einer engen schwarzen Polyesterhose von einer Seite zur anderen schaukelte. Ein breiter, glänzender Gürtel zwängte ihre schmale Taille ein und hielt eine Kollektion Schlüssel, zwei schwarze Kästen, von denen er annahm, daß es Pieper waren, und ein paar Handschellen. Keine Waffe. Ihre Bluse war amtlich weiß mit Abzeichen auf den Ärmeln und einer goldenen Kragenumrandung.
Der Flur war leer, als sie seine Tür öffnete und ihn mit einer Handbewegung anwies, in seine enge Zelle zurückzukehren. Sie folgte ihm hinein und schob sich an den Wänden entlang wie ein am Flughafen schnüffelnder Rauschgifthund. »Bin ein bißchen überrascht, dich wieder hier zu sehen«, sagte sie, während sie die Toilette inspizierte.
Darauf fiel ihm keine Erwiderung ein, und für eine Unterhaltung war er nicht in der rechten Stimmung. Während er zuschaute, wie sie sich niederbückte, dachte er an ihren Mann, der dreißig Jahre für Bankraub absitzen mußte; wenn sie unbedingt weiterreden wollte, würde er es vielleicht erwähnen. Das würde ihr die Sprache verschlagen und sie hinausbefördern.
»Du mußt Richter Roosevelt geärgert haben«, sagte sie, durch die Fenster hinausschauend.
»Vermutlich.«
»Wie lange mußt du hier bleiben?«
»Das hat er nicht gesagt. Ich muß morgen wieder hin.« Sie trat vor die Betten und klopfte auf die Decken. »Ich habe über dich und deinen kleinen Bruder gelesen. Ziemlich unerfreulich. Wie geht es ihm?«
Mark stand an der Tür und hoffte, sie würde endlich gehen. »Er wird wahrscheinlich sterben«, sagte er betrübt.
»Nein!«
»Ja, es ist furchtbar. Er liegt im Koma, lutscht am Daumen, und hin und wieder grunzt und sabbert er. Seine Augen sind in den Kopf zurückgesunken. Will nicht essen.«
»Tut mir leid, daß ich gefragt habe.« Ihre stark geschminkten Augen waren weit aufgerissen, und sie hatte aufgehört, alles zu betasten.
Ja, ich wette, daß es dir leid tut, daß du gefragt hast, dachte Mark. »Ich müßte eigentlich bei ihm sein«, sagte Mark. »Meine Mom ist da, aber sie ist völlig am Ende. Nimmt eine Menge Tabletten.«
»Es tut mir ja so leid.«
»Es ist grauenhaft. Und ich bin auch ziemlich benommen. Wer weiß, vielleicht ende ich auch noch so wie mein Bruder.«
»Kann ich dir irgendetwas bringen?«
»Nein. Ich muß mich nur hinlegen.« Er ging zum unteren Bett und ließ sich darauffallen. Doreen kniete neben ihm nieder, jetzt zutiefst besorgt.
»Wenn ich irgend etwas für dich tun kann, Junge, dann laß es mich wissen, okay?«
»Okay. Eine Pizza wäre nicht schlecht.«
Sie stand auf und dachte eine Sekunde darüber nach. Er schloß die Augen, wie von Schmerzen gequält.
»Ich werde sehen, was ich tun kann.«
»Ich habe nämlich noch keinen Lunch bekommen.«
»Bin gleich wieder da«, sagte sie und verschwand. Die Tür klickte laut hinter ihr. Mark sprang auf und lauschte.
27
D as Zimmer war dunkel, wie gewöhnlich; das Licht aus, die Tür geschlossen, die Vorhänge zugezogen, die einzige Beleuchtung die flimmernden blauen Schatten des ganz leise eingestellten Fernsehers hoch oben an der Wand. Dianne war seelisch erschöpft und körperlich erschlagen nach acht Stunden im Bett mit
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