Der Klient
»Das stimmt, aber das Gericht ist übers Wochenende geschlossen. Wir haben ein bißchen recherchiert, und ich bin der Ansicht, daß in so einem Fall Bundesrecht vor Staatenrecht geht. Sie nicht auch, Wally?«
»Das meine ich auch. Ja«, sagte Wally.
»Und ich habe mit dem Büro des Marshals hier gesprochen. Ich will, daß die Leute in Memphis den Jungen morgen abholen und hierherbringen, damit er am Montag vor die Anklagejury gestellt werden kann. Ich glaube nicht, daß die Leute in Memphis sich mit dem Büro des US-Marshals anlegen werden. Wir haben veranlaßt, daß er im Jugendtrakt des hiesigen Stadtgefängnisses untergebracht wird. Das sollte ein Kinderspiel sein.«
»Was ist mit der Anwältin?« fragte Fink. »Sie können sie nicht zur Aussage zwingen. Wenn sie etwas weiß, dann hat sie es als Repräsentantin des Jungen erfahren. Das braucht sie nicht preiszugeben.«
»Reine Schikane«, gab Foltrigg mit einem Lächeln zu. »Sie und der Junge werden am Montag eine Heidenangst haben. Dann geben wir den Ton an, Thomas.«
»Da wir gerade von Montag sprechen – Richter Roosevelt will uns um zwölf in seinem Gerichtssaal haben.«
Roy und Wally lachten laut heraus. »Da wird er wohl allein auf weiter Flur sein«, sagte Foltrigg kichernd. »Sie, ich, der Junge und seine Anwältin, alle werden hier sein. Der wird ein dummes Gesicht machen.«
Fink stimmte nicht in ihr Gelächter ein.
Um fünf klopfte Doreen an die Tür und ließ ihr Schlüsselbund klappern, bis sie aufgeschlossen hatte. Mark hockte auf dem Fußboden und spielte Dame mit sich selbst. Er wurde auf der Stelle zum Zombie, setzte sich auf seine Füße und starrte das Damebrett an wie in Trance.
»Bist du okay, Mark?«
Mark antwortete nicht.
»Mark, ich mache mir wirklich Sorgen um dich. Ich glaube, ich rufe den Arzt. Vielleicht verfällst du in Schock, genau wie dein kleiner Bruder.«
Er schüttelte den Kopf und sah sie mit einem kläglichen Blick an. »Nein, ich bin okay. Ich brauch nur ein bißchen Ruhe.«
»Glaubst du, daß du etwas essen kannst?«
»Vielleicht eine Pizza.«
»Natürlich, Baby. Ich bestell dir eine. Hör zu, ich habe in fünf Minuten Feierabend, aber ich habe Telda gesagt, sie soll gut auf dich aufpassen. Bist du ganz sicher, daß du zurechtkommst, bis ich morgen früh zurückkomme?«
»Vielleicht«, stöhnte er.
»Armer Junge. Du gehörst einfach nicht hierher.«
»Ich werde es durchstehen.«
Telda war weit weniger beunruhigt als Doreen. Sie schaute zweimal nach Mark. Bei ihrem dritten Besuch in seinem Zimmer, gegen acht Uhr, brachte sie Besucher mit. Sie klopfte an und öffnete langsam die Tür, und Mark war im Begriff, in seine Trance-Routine zu verfallen, als er zwei große Männer in unauffälligen Zivilanzügen vor sich sah.
»Mark, diese Männer sind US-Marshals«, sagte Telda nervös. Mark stand neben der Toilette. Der Raum war plötzlich winzig.
»Hi, Mark«, sagte der erste. »Ich bin Vern Duboski, Deputy US-Marshal.« Seine Worte waren knapp und präzise. Ein Yankee. Aber das war alles, was Mark zur Kenntnis nahm. Der Mann hielt einige Papiere in der Hand.
»Du bist Mark Sway?«
Er nickte, außerstande, etwas zu sagen.
»Du brauchst keine Angst zu haben, Mark. Wir sollen dir nur diese Papiere übergeben.«
Er warf einen hilfesuchenden Blick auf Telda, aber sie wußte von nichts. »Was für Papiere?« fragte er nervös.
»Das ist eine Vorladung, und sie bedeutet, daß du am Montag in New Orleans vor der Anklagejury des Bundesgerichts erscheinen mußt. Aber mach dir deshalb keine Sorgen – wir holen dich morgen nachmittag ab und bringen dich hin.«
Ein nervöser Schmerz schoß durch seinen Magen, und ihm wurde flau. Sein Mund war trocken. »Warum?« fragte er.
»Das können wir dir nicht sagen, Mark. Das ist nicht unsere Sache. Wir befolgen nur Anweisungen.«
Mark starrte auf die Papiere, die Vern ihm unter die Nase hielt. New Orleans! »Haben Sie es meiner Mutter gesagt?«
»Also, siehst du, Mark, wir sind verpflichtet, ihr eine Kopie dieser Papiere auszuhändigen. Wir werden ihr alles erklären und ihr sagen, daß dir nichts passieren wird. Wenn sie will, kann sie dich sogar begleiten.«
»Das kann sie nicht. Sie kann Ricky nicht alleinlassen.«
Die Marshals sahen sich an. »Nun, wir werden ihr jedenfalls alles erklären.«
»Ich habe eine Anwältin. Haben Sie es ihr gesagt?«
»Nein. Wir sind nicht verpflichtet, die Anwälte zu informieren, aber wenn du willst, kannst du sie ja
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