Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Klient

Titel: Der Klient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
und darauf die genaue Position des Grabes markiert. Er hatte eine Karte gezeichnet mit einer Linie, die vom Parkplatz beim West Park ausging und zwischen den Tennisplätzen verlief, quer über das Fußballfeld, durch eine baumbestandene Fläche, dann über ein weiteres Feld mit einem Picknickpavillon, dann eine Weile auf dem Fahrradweg entlang bis zu einem Fußpfad, der zu dem Graben führte. Es würde ganz einfach sein, hatte er ihnen den ganzen Nachmittag versichert.
    Der Fahrradweg war völlig leer, und das aus gutem Grund. Es war zehn Minuten nach elf, Samstagabend. Die Luft war schwül, und als sie den Pfad erreichten, schwitzten sie und atmeten schwer. Der Bulle, wesentlich jünger und besser in Form, folgte den anderen beiden und grinste vor sich hin, als sie in der Dunkelheit leise über die Schwüle fluchten. Seiner Schätzung nach waren sie Ende Dreißig, natürlich Kettenraucher, maßlose Trinker, gefräßige Esser. Sie stöhnten und schwitzten, und dabei waren sie noch nicht einmal eine Meile gelaufen.
    Leo war der Boss der Expedition, und er trug die Taschenlampe. Sie waren von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet. Ionucci folgte ihm wie ein Bluthund mit Lungenwürmern, mit gesenktem Kopf, schwer atmend, lethargisch, wütend auf die Welt, weil er hier sein mußte. »Vorsichtig«, sagte Leo, als sie durch dichtes Unkraut die Grabenböschung hinunterkletterten. Sie waren nicht gerade die typischen Waldläufer. Die Gegend war schon beängstigend genug gewesen, als sie sie um sechs Uhr nachmittags erkundet hatten. Jetzt war sie ein Graus. Der Bulle rechnete jeden Augenblick damit, auf eine dicke, sich windende Schlange zu treten. Natürlich, wenn er gebissen wurde, konnte er mit einem guten Grund umdrehen und, wie er hoffte, zum Wagen zurückkehren. Seine beiden Kumpane wären dann gezwungen, allein weiterzumachen. Er stolperte über einen dicken Ast, konnte sich aber auf den Beinen halten. Fast wünschte er sich eine Schlange.
    »Vorsichtig«, sagte Leo zum zehnten Mal, als machte das Aussprechen der Warnung die Sache sicherer. Sie schlichen ungefähr zweihundert Meter weit in dem dunklen, von Unkraut überwucherten Bachbett voran, dann erklommen sie die gegenüberliegende Böschung. Die Taschenlampe erlosch, und sie krochen durch das Gestrüpp, bis sie sich hinter Cliffords Maschendrahtzaun befanden. Dann ruhten sie auf den Knien aus.
    »So ein Blödsinn«, sagte Ionucci zwischen lauten Atemzügen. »Seit wann graben wir Leichen aus?«
    Leo ließ den Blick durch die Dunkelheit von Cliffords Hintergarten schweifen. Kein einziges Licht. Sie waren nur Minuten zuvor vorbeigefahren und hatten gesehen, daß in einer Kugel neben der Haustür ein kleines Licht brannte, aber der hintere Teil des Grundstücks lag in völliger Dunkelheit. »Halt die Klappe«, sagte er, ohne den Kopf zu bewegen.
    »Ja, ja«, murmelte Ionucci. »Was für ein Blödsinn.« Seine Lungen kreischten, daß man es fast hören konnte. Schweiß tropfte ihm vom Kinn. Der Bulle kniete hinter ihnen und schüttelte den Kopf über ihre schlechte Kondition. Sie arbeiteten in erster Linie als Leibwächter und Fahrer, Beschäftigungen, die nur wenig körperliche Anstrengung erforderten. Der Legende zufolge hatte Leo seinen ersten Mord begangen, als er siebzehn war, mußte aber ein paar Jahre später damit aufhören, weil er im Knast saß. Der Bulle hatte gehört, daß Ionucci im Laufe der Jahre zweimal angeschossen worden war, aber das war unbestätigt. Die Leute, die diese Geschichten verbreiteten, waren dafür bekannt, daß sie nicht immer die Wahrheit sagten.
    »Also los«, sagte Leo wie ein Feldmarschall. Sie flitzten durch das Gras zu der Pforte in Cliffords Zaun, dann durch sie hindurch. Sie eilten unter den Bäumen entlang, bis sie an der Rückfront der Garage angekommen waren. Ionucci fiel völlig erledigt auf alle viere und rang nach Atem. Leo kroch zu einer Ecke und sah nach, ob sich nebenan irgend etwas bewegte. Nichts. Nichts außer den Geräuschen von Ionuccis drohendem Herzinfarkt. Der Bulle lugte um die andere Ecke und musterte die Rückfront von Cliffords Haus.
    Die Nachbarschaft schlief. Sogar die Hunde hatten sich zur Ruhe begeben.
    Leo stand auf und versuchte, die Hintertür zu öffnen. Sie war abgeschlossen. »Bleibt hier«, sagte er und schlich geduckt um die Garage herum, bis er die Vordertür erreicht hatte. Auch sie war abgeschlossen. Wieder hinten angekommen, sagte er: »Wir müssen ein bißchen Glas zerbrechen. Vorn ist auch

Weitere Kostenlose Bücher