Der Klient
Frauen in Bademänteln erschienen auf ihren Terrassen und schauten in die Richtung des Ballantine-Hauses. Stimmen schrien Fragen über den Zaun. Hunde erwachten zum Leben. Mark und Reggie wichen tiefer ins Unterholz zurück.
Mr. Ballantine und einer der Polizisten gingen den Zaun ab, vielleicht auf der Suche nach weiteren verbrecherischen Steinewerfern. Es war hoffnungslos. Reggie und Mark konnten Stimmen hören, aber nicht verstehen, was gesprochen wurde. Mr. Ballantine brüllte ziemlich viel.
Die Polizisten beruhigten ihn, dann halfen sie, das Fenster mit Plastikfolie zu verkleben. Die roten und blauen Lichter wurden ausgeschaltet, und nach zwanzig Minuten verschwand die Polizei wieder. Reggie und Mark warteten, zitternd und einander bei den Händen haltend. Käfer krabbelten über ihre Haut. Die Moskitos waren brutal. An ihren dunklen Sweatshirts klebten Unkraut und Kletten. Endlich gingen die Lichter im Ballantine-Haus wieder aus, und sie warteten noch eine Weile.
38
E in paar Minuten nach eins rissen die Wolken auf, und für einen Augenblick beleuchtete der Halbmond Romeys Hintergarten und Garage. Reggie warf einen Blick auf die Uhr. Ihre Beine waren taub, und ihr Rücken schmerzte vom langen Sitzen.
Merkwürdigerweise hatte sie sich an ihren kleinen Platz im Dschungel gewöhnt, und nachdem sie die Gangster, die Polizisten und den Idioten mit der Schrotflinte überlebt hatten, fühlte sie sich bemerkenswert sicher. Ihre Atmung und ihr Puls waren normal. Sie schwitzte nicht, obwohl ihre Jeans und ihr Sweatshirt immer noch naß waren vom Marsch und von der Luftfeuchtigkeit. Mark schlug auf Moskitos ein und sagte kaum etwas. Er war unheimlich gelassen. Er kaute auf einem Grashalm, beobachtete die Zäune und verhielt sich so, als wüßte er, und zwar nur er, ganz genau, wann der nächste Schritt getan werden mußte.
»Machen wir einen kleinen Spaziergang«, sagte er, von den Knien hochkommend.
»Wohin? Zu unserem Wagen?«
»Nein. Nur ein Stück den Pfad entlang. Ich bekomme einen Krampf im Bein.«
Ihr rechtes Bein war unterhalb des Knies taub. Ihr linkes Bein war unterhalb der Hüfte abgestorben, und sie stand mit großer Mühe auf. Sie folgte ihm durch das Gestrüpp, bis sie den kleinen Pfad erreicht hatten, der parallel zum Bachbett verlief. Er bewegte sich geschickt durch die Dunkelheit, ohne von der Taschenlampe Gebrauch zu machen, schlug auf Moskitos ein und streckte die Beine.
Sie machten tief im Wald halt, außer Sichtweite der Zäune von Romeys Nachbarn.
»Ich finde wirklich, wir sollten jetzt verschwinden«, sagte sie, ein wenig lauter, da die Häuser nicht mehr zu sehen waren. »Ich fürchte mich vor Schlangen, weißt du, und ich möchte nicht auf eine treten.«
Er sah sie nicht an, sondern starrte zum Graben hinüber. »Ich glaube nicht, daß es eine gute Idee ist, jetzt zu verschwinden«, flüsterte er.
Sie wußte, daß er einen Grund hatte, das zu sagen. In den letzten sechs Stunden hatte sie kein einziges Mal die Oberhand gewonnen. »Weshalb?«
»Weil diese Männer sich immer noch hier herumtreiben könnten. Sie könnten sogar ganz in der Nähe lauern und darauf warten, bis sich alles wieder beruhigt hat und sie zurückkommen können. Wenn wir uns auf den Weg zu unserem Wagen machen, könnten wir ihnen begegnen.«
»Mark, mir reicht es jetzt endgültig. Für dich mag das ein Riesenspaß und ein Spiel sein, aber ich bin zweiundfünfzig Jahre alt, und mir reicht es. Ich kann einfach nicht glauben, daß ich mich um ein Uhr nachts in diesem Dschungel verstecke.«
Er legte einen Zeigefinger auf seine Lippen. »Pst. Sie reden zu laut. Und das ist kein Spiel.«
»Verdammt, ich weiß, daß das kein Spiel ist. Versuch nicht, mir Vorträge zu halten.«
»Ganz ruhig, Reggie. Wir sind jetzt in Sicherheit.«
»Schöne Sicherheit! Ich fühle mich erst dann in Sicherheit, wenn ich die Tür zu unserem Motelzimmer hinter uns abgeschlossen habe.«
»Dann gehen Sie. Nur los. Suchen Sie sich Ihren Weg zurück zum Wagen und fahren Sie los.«
»Natürlich, und laß mich raten. Du bleibst hier, stimmt’s?«
Das Mondlicht verschwand, und plötzlich war es im Wald viel dunkler. Er drehte ihr den Rücken zu und machte sich auf den Rückweg zu ihrem Versteck. Sie folgte ihm instinktiv, und das irritierte sie, denn im Moment verließ sie sich voll und ganz auf einen elfjährigen Jungen. Aber sie folgte ihm trotzdem, auf einem für sie unsichtbaren Pfad, durch den dichten Wald ins Unterholz, zu ungefähr
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