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Der Klient

Titel: Der Klient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Plastik. Er fuhr entsetzt hoch, dann richtete er das Licht langsam genau auf das verweste Gesicht des verstorbenen Senators Boyd Boyette.
    Reggie tat einen weiteren Schritt zurück und fiel auf einen Haufen mit Blechdosen gefüllter Säcke. Der Lärm war ohrenbetäubend in der stillen Luft. Sie strampelte und versuchte, in der Dunkelheit wieder auf die Beine zu kommen, aber ihre hektischen Bewegungen verursachten noch mehr Lärm. Mark griff eine Hand und zog sie auf das Boot zu. »Tut mir leid«, flüsterte sie, nur zwei Schritte von dem Toten entfernt, ohne an ihn zu denken.
    »Pst«, sagte Mark, stieg auf eine Kiste und schaute durchs Fenster. Nebenan ging ein Licht an. Die Schrotflinte konnte nicht weit davon entfernt sein.
    »Gehen wir«, sagte er. »In Deckung bleiben.«
    Sie schlichen zur Hintertür hinaus, und Mark machte sie hinter ihnen zu. Im Nachbarhaus wurde eine Tür zugeknallt. Er fiel auf Hände und Knie und glitt um den Müllhaufen herum, an den Bäumen vorbei und durch die Pforte. Reggie blieb dicht hinter ihm. Sie hörten erst auf zu kriechen, als sie das Gestrüpp erreicht hatten. Geduckt eilten sie weiter, wie die Eichhörnchen, bis sie den Pfad gefunden hatten. Mark schaltete die Taschenlampe ein, und sie wurden erst langsamer, als sie das Bachbett erreicht hatten. Er duckte sich ins Gestrüpp und schaltete die Lampe aus.
    »Was ist?« fragte sie, schwer atmend, verängstigt und auf keinen Fall willens, auf dieser Flucht noch irgendwelche Pausen einzulegen.
    »Haben Sie sein Gesicht gesehen?« fragte Mark, zutiefst beeindruckt von dem, was sie gerade getan hatten.
    »Natürlich habe ich sein Gesicht gesehen. Und nun laß uns verschwinden.«
    »Ich möchte es noch einmal sehen.«
    Sie hätte ihm fast ins Gesicht geschlagen. Dann richtete sie sich auf, mit den Händen auf den Hüften, und begann, auf das Bachbett zuzugehen.
    Mark lief mit der Taschenlampe neben ihr her. »Ich habe doch nur Spaß gemacht.« Sie blieb stehen und funkelte ihn an, dann ergriff er ihre Hand und half ihr die Böschung hinunter.
    Beim Superdome bogen sie auf die Schnellstraße ein und fuhren in Richtung Metairie. Der Verkehr war schwach, aber dichter als in den meisten anderen Großstädten um halb drei an einem Sonntagmorgen. Seit sie am West Park in ihren Wagen gesprungen waren und die Gegend verlassen hatten, war kein Wort mehr gefallen. Und das Schweigen machte ihnen beiden nichts aus.
    Reggie dachte darüber nach, wie nahe sie dem Tod gewesen war. Mafia-Gangster, Schlangen, verrückte Nachbarn, Polizei, Schießeisen, Schock, Herzinfarkt – es hätte kaum einen Unterschied gemacht. Sie konnte sich in der Tat glücklich schätzen, hier zu sein, auf der Schnellstraße entlangrasend, schweißgebadet, bedeckt von Insektenstichen, blutig von den Wunden der Natur und schmutzig von einer Nacht im Dschungel. Es hätte wesentlich schlimmer kommen können. Sie würde im Motel eine heiße Dusche nehmen, vielleicht ein bißchen schlafen und sich anschließend den Kopf zerbrechen über den nächsten Schritt. Sie war erschöpft vom Angsthaben und von den plötzlichen Schocks. Alles tat ihr weh von dem Kriechen und Ducken. Sie war zu alt für diesen Unsinn. Merkwürdig, was Anwälte manchmal fertigbrachten.
    Mark kratzte sanft an den Stichen auf seinem linken Unterarm und beobachtete, wie die Lichter von New Orleans schwächer wurden, als sie das Stadtgebiet verließen. »Haben Sie das braune Zeug auf seinem Gesicht gesehen?« fragte er, ohne sie anzusehen.
    Obwohl sich das Gesicht auf ewig in ihre Erinnerung eingebrannt hatte, konnte sie sich in diesem Moment nicht an irgendwelches braunes Zeug erinnern. Es war ein kleines, geschrumpftes, teilweise verrottetes Gesicht gewesen, eines, von dem sie sich wünschte, daß sie es vergessen könnte.
    »Ich hab nur die Würmer gesehen«, sagte sie.
    »Das braune Zeug war Blut«, sagte er mit der Autorität eines Gerichtsmediziners.
    Sie wollte das Gespräch nicht fortsetzen. Jetzt, da das Schwei gen gebrochen war, gab es Wichtigeres zu besprechen. »Ich finde, nachdem diese kleine Eskapade hinter uns liegt, sollten wir uns über deine Pläne unterhalten«, sagte sie und warf ihm einen Blick zu.
    »Wir müssen schnell handeln, Reggie. Diese Kerle werden zurückkommen, um ihn zu holen, glauben Sie nicht?«
    »Ja. Da bin ich ausnahmsweise einmal deiner Meinung. Durchaus möglich, daß sie schon jetzt wieder zurückgekehrt sind.«
    Er kratzte sich am anderen Unterarm. »Ich habe

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