Der Knochendieb
jetzt?«
»Rüber ins St. Vincent’s, um mit einem gewissen Doktor Stephen Astin zu sprechen. Er war Clarissas behandelnder Arzt. Hast du inzwischen was von Moira gehört?«
»Kein Wort. Halt mich unbedingt auf dem Laufenden, wenn du noch auf irgendetwas stößt, was auch nur entfernt mit unserem Knochendieb zu tun haben könnte.«
»Aber sicher.«
Margaret parkte den Plymouth an der West Eleventh Street und ging auf den Besuchereingang des wuchtigen Klinikbaus zu. Sie zeigte dem uniformierten Sicherheitsbeamten ihre Dienstmarke, woraufhin er ihr den Weg zu den Aufzügen wies, die sie ins zweite Obergeschoss bringen würden. Im Aufzug sah Margaret auf die Uhr. Sie würde absolut pünktlich zu ihrer Verabredung mit Dr. Astin kommen. Die Aufzugtüren öffneten sich zum zweiten Stock. Margaret stieg aus und schlenderte auf der Suche nach Zimmer 335, dem Büro des Arztes, den Flur entlang. Sie betrat den Raum, wo sich ein schick gekleideter Herr, der mit leiser, femininer Stimme sprach, mit einem auffallend attraktiven Mann unterhielt, dessen dunkelblauer Anzug locker mit dem feinen Tuch von Lieutenant Driscoll hätte mithalten können. Margaret las den Namen des gut aussehenden Mannes von seinem Schildchen ab: DR. COLM F. PIERCE, LEITER DER RADIOLOGIE. Der Typ mit der sanften Stimme versicherte Dr. Pierce, dass er Dr. Astin seine Nachricht Wort für Wort ausrichten werde, ehe er sich Margaret zuwandte.
»Sie müssen Sergeant Aligante sein«, sagte er.
»Ja. Ich habe einen Termin bei Doktor Astin.«
»Ich weiß. Ich bin Bartholomew Wiggins, Doktor Astins Assistent. Er hat mir gesagt, dass Sie kommen. Und Sie sind absolut pünktlich«, bemerkte er mit einem Blick auf die Uhr. »Der gute Doktor lässt sich allerdings entschuldigen. Er wurde vor zehn Minuten in den OP gerufen.«
»Ach so.«
»Sie können hier auf ihn warten, wenn Sie wollen, oder sich in der Zwischenzeit bei Chez François stärken. Das ist unsere Cafeteria.«
»Ich könnte wirklich einen Bissen vertragen.«
»Der Weg lohnt sich«, warf Dr. Pierce ein. »Der Laden kann mit dem Four Seasons mithalten«, ergänzte er mit unbewegter Miene. »Ihr Thunfischaufstrich wurde gerade zur achten Todsünde erklärt. Darf ich Ihnen Gesellschaft leisten?« Dabei fiel ihm wieder ein, was seine nörgelnden Eltern in Bezug auf die Polizei gesagt hatten: Doch statt dass ihm die Polizei die Hölle heißmachte, würde er einen Weg finden, wie er der Polizei die Hölle heißmachen konnte. Er würde damit beginnen, dass er seinen Charme spielen ließ.
Margaret zögerte und musterte Pierce verwundert. Er erwiderte ihren Blick mit einem Lächeln.
»Warum nicht?«, sagte sie kühn. »Zeigen Sie mir den Weg.«
»Ich kann Ihnen den Hackbraten empfehlen, das Tagesgericht«, sagte der Mann hinter dem Tresen zu Margaret.
»Howard, diese Lady hat Ihren Thunfischaufstrich verdient«, wandte Pierce ein. »Eigentlich ist es mein Rezept. Aber ich gönne Howard gern die Lorbeeren«, flüsterte er Margaret zu, während er sich aus einer Obstschale einen Apfel nahm.
»Lassen Sie mich raten. Sie arbeiten nebenher schwarz als Ernährungsberater der Klinik«, witzelte Margaret.
»Nein, die Stelle war schon vergeben. Ich musste mich mit der Radiologie begnügen.«
»Lassen Sie sich doch auf die Liste setzen. Man weiß nie, wann mal wieder was frei wird.«
Der Vorschlag ließ Pierce schmunzeln. Doch schnell kam er wieder auf den Grund für Margarets Besuch zurück.
»Sie sind also die Polizistin, die den Tod der kleinen Parsons untersucht?«
»Ja, genau«, antwortete sie und nahm sich eine Tasse Kaffee. »Woher wissen Sie das?«
»Krankenhäuser sind wie Dörfer. Neuigkeiten machen hier in Windeseile die Runde. Setzen Sie das auf meine Rechnung, Howard«, sagte er und gab dem Mann hinter der Theke einen Wink.
»Spendiert die Abteilung für Radiologie eigentlich allen Besuchern ein Mittagessen?«
»Mein Horoskop hat mir empfohlen, eine neue Freundschaft zu schließen.«
»Lassen Sie mich raten. Schütze?«, spekulierte Margaret.
»Um Gottes willen! Ich bin der prototypische Wassermann.«
Pierce führte Margaret zu einem Tisch in der Ecke, wo ein Fenster den Blick auf die Skyline freigab.
»Ich habe noch nie einen Radiologen kennen gelernt. Sagen Sie, sind alle Radiologen solche Feinschmecker?«
»Nein. Nur ich.«
Margaret biss amüsiert in ihr Sandwich. Der Aufstrich war eine üppige Mischung aus Thunfisch, Mayonnaise und Jarlsberg-Käse.
»Na?«, fragte
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