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Der Knochendieb

Der Knochendieb

Titel: Der Knochendieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas O'Callaghan
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Das Schweigen der Lämmer. Wissen Sie noch? Der Typ hat Hautstücke zusammengenäht, die er den Leichen seiner Opfer abgezogen hatte.«
    Margaret schenkte sich eine Tasse Kaffee ein. »Fleisch auf Knochen. Da kommt mir eine Idee. Vielleicht liest der Kerl das Alte Testament.«
    »Ich bin ganz Ohr«, sagte Driscoll.
    »›Ich spanne Sehnen über euch und umgebe euch mit Fleisch; ich überziehe euch mit Haut und bringe Geist in euch.‹ Ezechiel, Kapitel siebenunddreißig, Vers sechs«, sagte sie.

    Driscoll war erstaunt darüber, dass sich Margaret so gut in der Bibel auskannte. Bewundernd sah er sie an. »Er wäre weiß Gott nicht der erste bibelfeste Serienmörder.«
    »Im Buch der Könige ist sogar die Rede davon, dass Knochen gestohlen werden«, ergänzte Thomlinson.
    Driscoll war beeindruckt. »Vielleicht seid ihr da wirklich auf einer Spur.«
    »Wir werden das seinem Profil hinzufügen. Vielleicht fühlt sich der Kerl von irgendwelchen Bibelszenen angeregt«, mutmaßte Thomlinson.
    »Wir könnten einen Knochenspezialisten gebrauchen«, sagte Driscoll. »Margaret, gehst du nicht öfter mit einem Knochenfachmann aus?«
    »Nur ein einziges Mal. Zum Mittagessen in einer Klinik-Cafeteria. Das würde ich kaum Ausgehen nennen.«
    »Aber du hast doch erzählt, dass er vorgeschlagen hat, zum Nachtisch woandershin zu gehen. Er war dir gegenüber sehr entgegenkommend. Ruf den guten Doktor doch mal an und geh mit ihm essen. Das ist völlig unverfänglich. Schließlich leben wir im einundzwanzigsten Jahrhundert, nicht wahr?«
    »Er ist aber kein Osteopath. Sein Fachgebiet ist Radiologie.«
    »Liegt nicht weit entfernt.«
    »Habe ich damit die Erlaubnis, über den Fall zu sprechen?«, wollte sie wissen.
    »Nicht in allen Einzelheiten. Aber zapf sein Wissen ein bisschen an. Und vergiss nicht, dass dieser Mann, obwohl er Radiologe ist, auf der Intensivstation des St.-Vincent-Krankenhauses war und die Tochter des Bezirksstaatsanwalts mit einem Defibrillator behandelt hat. Das ist
schon überaus merkwürdig. Ich finde, wir sollten den Knaben im Auge behalten.«
    »Mach ich«, sagte Margaret, während sie an Driscoll vorbei zur Tür eilte. Thomlinson blieb noch.
    »Glauben Sie, es war Zufall, was Dr. Pierce und Margaret zusammengebracht hat, Cedric?«, fragte Driscoll.
    »Was meinen Sie damit?«
    »Womöglich hat der Typ ganz konkrete Gründe dafür, über die polizeilichen Ermittlungen auf dem Laufenden bleiben zu wollen.«

70. KAPITEL
    Ein Hafenarbeiter machte die Leinen los, die Fähre löste sich von ihrem Ankerplatz und wühlte mit ihrer Schiffsschraube das Wasser auf. Die Sonne hatte ihren flammenden Abstieg hinter der Skyline von Manhattan begonnen und tauchte alles in funkelnden Bernstein. Die viertelstündige Überfahrt würde Dr. Pierce und Margaret zum Fuß des Battery Park bringen, nur wenige Schritte von dem Restaurant entfernt, das sie ausgesucht hatte. Pierce hatte die Bootsüberfahrt vorgeschlagen, um sich einzustimmen.
    Eine schwermütige Instrumentalversion von »The Nearness of You« schwebte über den Passagieren. Ein bärtiger Schwarzer, den umgedrehten Hut vor den Fü ßen, zauberte die Melodie aus seinem Instrument.
    »Es geht doch nichts über ein Saxophon in der Dämmerung, um dem Tag die Schärfe zu nehmen«, sagte Pierce.
    Margaret musterte sein Gesicht. Er erinnerte sie an einen
dunkelhaarigen Donald McDonough, einen Freund, den sie zu Beginn ihrer Laufbahn an der Polizeischule gehabt hatte. Ein Wirbelsturm von Erinnerungen riss sie mit: das Büffeln für die Prüfungen, überfüllte Vorlesungssäle, ewig wiederholte praktische Übungseinheiten und lustige Wochenendpartys. Damals war Amstel Light ihr Lieblingsgetränk gewesen. Während sie weiter Pierce’ Züge studierte, dachte sie über die von Driscoll aufgeworfene Frage nach. Was hatte ein Radiologe auf der Kinder-Intensivstation am Bett einer komatösen Patientin zu suchen? Und weshalb setzte er einen Defibrillator ein?
    »Margaret? Alles in Ordnung? Sie sehen aus, als wären Sie in Trance.«
    Sie antwortete ihm mit einem Lächeln. »Mir geht’s gut«, sagte sie. »Sie erinnern mich nur an einen Freund, den ich seit Jahren nicht gesehen habe.«
    »Jedes Gesicht hat ein Dutzend Doppelgänger, die sich über den Erdball verteilen. Wie würden Sie diese Besonderheit bei einer polizeilichen Gegenüberstellung behandeln?«
    »Nummer vier, bitte vortreten … nein, Nummer drei … ich meine Nummer sieben … oder war es Nummer zehn?«
    Die beiden

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