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Der Knochendieb

Der Knochendieb

Titel: Der Knochendieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas O'Callaghan
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Ruhepause folgte ein zweites Beben, diesmal noch ausgeprägter als das erste. Es ließ ein Schlüsselbein verrutschen, das daraufhin aus dem Regal fiel und auf dem mit Terrakottafliesen ausgelegten Boden zersplitterte.
    Ein Erdbeben!, dachte er und stieg sofort in den Lift.
    Im Erdgeschoss angelangt, stürmte er aus dem Haus, wo er eine Landschaft aus eingestürzten Häusern und brennenden Autos vorzufinden erwartete. Doch die Straße war unversehrt. Dieselschwaden hingen über der Hauptverkehrsstraße, und Rauch quoll aus einem Bulldozer mit einem langen Greifarm, von dem aus ein Presslufthammer den Asphalt zermalmte. Riesige Stahlrohre lagen daneben und warteten auf ihre Installation.

    Colm malte sich aus, wie der Bulldozer die Wände seines kostbaren Trophäenraums zum Einsturz brachte und seine Schätze unter Geröllhalden begrub, ehe sich eine noch schlimmere Angst in seine Gedanken schlich. Was, wenn die Erschütterungen seine Gäste nicht begruben? Was, wenn sie seine Sammlung ans Tageslicht beförderten?

67. KAPITEL
    Eileen Tiernan saß vom Kummer gezeichnet auf einem Stuhl, ihren Sohn Timothy an die Brust gedrückt, während sich Ryan an ihr Bein klammerte. Ihr Mann saß neben ihr. Sie alle blickten auf, als Driscoll und Margaret den Flur der Kinderstation betraten.
    »Sie wollen uns nicht zu unserer Tochter lassen«, erklärte Seamus Tiernan.
    Driscoll ging auf den Polizisten zu, der an der Tür zu Zimmer 732 postiert war. »Wie sieht’s aus, Officer?«
    »Ich habe meine Befehle von Captain Hollis bekommen, Lieutenant. Niemand darf hinein. Und er meint wirklich niemand.«
    »Die Herrschaften begleiten mich.«
    »Ich würde Ihnen ja gern entgegenkommen …«
    »Dann lassen Sie uns hinein.«
    »Aber ich habe meine Befehle.«
    »Sie haben soeben neue erhalten.«
    Der Polizist sah Driscoll hoffnungslos an. »Ich muss erst nachfragen. Warten Sie einen Moment.«
    Driscoll zuckte die Achseln, während der Beamte den Flur entlang zu einem Wandtelefon marschierte.

    »Margaret, du könntest doch eigentlich mit den Tiernans in die Cafeteria gehen«, schlug Driscoll vor. »Es dauert womöglich eine Weile, bis wir die Lage geklärt haben.«
    »Wir gehen nirgends hin, ehe wir unsere Tochter gesehen haben«, erklärte Mr. Tiernan.
    »Aber ich könnte doch mit den Jungs eine Limonade trinken gehen«, hakte Margaret nach.
    »Ich will Moira besuchen«, jammerte Timothy mit rotem Gesicht.
    »Die Jungen warten hier mit uns«, sagte Mrs. Tiernan.
    Der Polizist kehrte zurück und wandte sich an Driscoll. »Entschuldigen Sie bitte, Sir, aber die Anweisungen des Captains gelten natürlich nicht für Sie.« Er öffnete die Tür, um den Lieutenant einzulassen.
    »Die Herrschaften begleiten mich«, erklärte Driscoll und geleitete die Familie ins Krankenzimmer. Der Anblick war entsetzlich. Moiras Körper war von oben bis unten eingegipst, wobei die harte Schale an strategischen Punkten Lücken für Katheter und Schläuche aufwies, die Sauerstoff und Nahrung lieferten. Je zwei zusätzliche Schlitze ließen Augen und Nasenlöcher frei.
    Alle wandten sich um, als Dr. Stephen Astin den Raum betrat, um nach seiner jungen Patientin zu sehen. »Man hat ihr die Knochen gebrochen und teilweise zermalmt«, berichtete er.
    Mrs. Tiernans Gesicht verlor jegliche Farbe. Sie stand wie gelähmt da und starrte den Gipskokon an, der Moira umhüllte.
    »Wie kann jemand unserem kleinen Mädchen so etwas antun?«, fragte Mr. Tiernan. »Er hat unsere Moira zerschmettert.
Wissen Sie, was für ein Gefühl es ist, seine eigene Tochter so vernichtet zu sehen, Lieutenant?«
    »Besser, als Sie ahnen.«
    Driscoll standen Tränen in den Augen. Seit Nicoles Tod hatte er nicht mehr so gelitten. Doch warum jetzt? War ihm Moira in Nicoles Abwesenheit eine Art Tochter geworden? Er warf noch einen Blick auf das Mädchen, das jüngste Opfer dieses Wahnsinnigen. Und während er die lebende, atmende Gipsmumie betrachtete, die aus Moira geworden war, loderte Wut in ihm auf. Dieser Verbrecher hatte die Sache auf eine persönliche Ebene gehoben und damit sein eigenes Todesurteil unterschrieben.
    Als Driscoll von Moiras Bett wegtrat, begegnete sein Blick dem der Tiernans. Es quälte ihn, das Leid mit ansehen zu müssen, das ihnen zugefügt worden war.
    Ihre Tochter war auf brutalste Weise misshandelt worden, und Driscoll wusste, warum. Dieses gnadenlose Verbrechen barg eine Botschaft. Der Killer hätte das Mädchen umbringen und entbeinen können wie all die anderen. Doch

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