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Der Knochendieb

Der Knochendieb

Titel: Der Knochendieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas O'Callaghan
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erkundigte er sich.
    »Edgar wollte es so.«
    »Warum Sie?«
    »Edgar hat mich zur Leiterin der Kinderabteilung befördert, verbunden mit der Sonderaufgabe, als Ersatzmutter für Colm zu fungieren. Edgar und ich hatten etwas gemeinsam. Wir hatten beide einen Sohn verloren. Das hat uns einander nähergebracht. Auf einer Kreuzfahrt zu den Galapagos-Inseln war Edgar ein Nervenbündel und hatte sogar seine gewohnte Freundlichkeit verloren. Ich fand heraus, was ihn belastete. Er gestand mir, dass er sich in mich verliebt hatte. Von da an war er ein Teil meines Lebens. Er hatte nie das Bedürfnis, über seine Ehe zu sprechen, was mir sehr recht war. Ich war ihm eine zweite Ehefrau, und er war mir ein Traummann. Es war eine herrliche Zeit voller neuer Entdeckungen, bis uns Alzheimer trennte. Er vergaß Verabredungen. Erschien nicht zu Treffen, um die er selbst gebeten hatte. Und eines Tages wachte er auf und wusste nicht mehr, warum er in meinem Bett lag. Er zog sich an und ging. Ich sah ihn nie wieder.« Sie seufzte. »Aber Sie sind wohl nicht gekommen, um Recherchen für einen Liebesroman anzustellen, oder?«
    »Nein.«
    »Doch es ist mehr als pure Neugier, oder?«
    »Miss Langley, wie gesagt, ich untersuche den Tod einer Patientin …«
    »Das ist mir bekannt«, fiel sie ihm lächelnd ins Wort. »Aber Colms Zorn hat sich nie gegen Kinder gerichtet. Er würde einem Kind nie etwas zuleide tun.«
    »Würde er einem Erwachsenen etwas zuleide tun?«

    »Wissen Sie, Lieutenant, ich glaube, Alzheimer ist vielleicht doch ansteckend.« Damit hatte auch sie Driscoll eine Tür vor der Nase zugeschlagen.
    »Miss Langley, als Krankenschwester fügen Sie womöglich einem traumatisierten Mann enormen Schaden zu.«
    »Es war ein schöner Nachmittag, Lieutenant. Danke für Ihre Gesellschaft.« Sie wandte sich um und ging davon.
    Driscoll blieb allein auf dem Friedhof zurück und ordnete seine Gedanken. Von Miss Langley hatte er erfahren, dass Pierce die gälische Sprache beherrschte und von offenen Gewässern fasziniert war. Hatte der Obdachlose den Mörder nicht etwas Gälisches murmeln hören? Und war es Zufall, dass die Leichen von Monique, Deirdre und Sarah am Wasser aufgefunden worden waren? Au ßerdem hatte er erfahren, dass Pierce in einem gewalttätigen Elternhaus aufgewachsen war. So gewalttätig, dass er vermutlich die Kontrolle verloren und seine Familie umgebracht hatte. Und der Mann neigte zu Jähzorn. Diese Information hatte er direkt von seiner Ersatzmutter erhalten. Wer konnte ihn besser kennen? Driscoll musste an Margaret denken. Ein Schauer überlief ihn. Er zog sein Handy heraus und rief im Büro an, wo sich Cedric Thomlinson meldete.
    »Wo ist Margaret?«, fragte Driscoll ohne Umschweife.
    »Bei Pierce. Er hat sie zu sich nach Hause eingeladen.«

82. KAPITEL
    Die Villa stand am höchsten Punkt einer kreisförmigen Zufahrt. Margaret hatte in Architekturzeitschriften schon ähnliche Häuser gesehen, jedoch nie damit gerechnet, einmal eines zu betreten.
    »Solche Anwesen verlangen normalerweise Eintritt«, sagte sie. »Ist eine Führung inbegriffen?«
    Pierce grinste.
    »Dem Führer habe ich heute freigegeben.« Er trat an die Tür. »Ich bin da!«
    »Von den Kindern haben Sie mir gar nichts erzählt«, witzelte Margaret.
    »Gott bewahre! Die Tür reagiert auf meine Stimme.«
    Eine marmorgeflieste Halle empfing die beiden. Pierce geleitete Margaret in ein Wohnzimmer, das mit dick gepolsterten Sofas, weichen Ledersesseln und eleganten Louis-seize-Stühlen auf Perserteppichen möbliert war. Rüstungen zierten die Wände.
    Margaret fühlte sich unbehaglich. Lag es nur daran, dass sie noch nie in einem so luxuriösen Domizil gewesen war? Oder spielte da etwas anderes mit?
    »Es ist nichts Großartiges … aber es ist mein Zuhause«, sagte Pierce.
    »Ach so, ja dann …«
    »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
    »Nein, danke.«
    »Dann würde ich Ihnen jetzt gern meine Sammlung zeigen.«
    Sammlung? Margarets Gedanken überschlugen sich.
    Die Ebene unter ihnen beherbergte einen großen Raum
mit zahlreichen Vitrinen, in denen von Halogenstrahlern beleuchtete Vogelskelette ausgestellt waren. Margaret fand die Exponate schrecklich.
    »Das hier ist ein Calypte anna, ein Anna-Kolibri aus Kalifornien.« Pierce wies auf die gegenüberliegende Ecke einer Vitrine.
    »Sie meinen ein Kolibrigerippe.«
    »Bleiben Sie ganz ruhig stehen. Dann können Sie die Vibrationen seines Flügelschlags hören.«
    Margaret hörte nichts

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