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Der Knochenjäger

Titel: Der Knochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Nervenzusammenbruch und kam eine Zeitlang in eine psychiatrische Klinik. Er versuchte sich umzubringen. Folglich hat man ihn wegen Selbstmordgefahr rund um die Uhr bewacht. Zunächst versuchte er sich die Pulsadern mit einem Blatt Papier aufzuschneiden - dem Titelblatt einer Illustrierten. Dann schlich er sich in die Bibliothek, entdeckte auf der Toilette der Aufsicht ein Wasserglas, zerschlug es und schlitzte sich damit die Handgelenke auf. Man flickte ihn wieder zusammen und behielt ihn ein weiteres Jahr in der Nervenklinik. Schließlich wurde er entlassen. Etwa einen Monat danach versuchte er es wieder. Mit einem Messer.« Ruhig fügte Rhyme hinzu. »Diesmal hat es funktioniert.«
    Er hatte durch die Todesbenachrichtigung, die der Coroner des Albany County an die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit bei der New Yorker Polizei gefaxt hatte, von Stantons Ableben erfahren. Jemand hatte sie Rhyme mit der Hauspost zugeschickt und einen Vermerk angeheftet: ZKN - dachte, das würde Sie interessieren, hatte der Betreffende geschrieben.
    »Es gab eine interne Untersuchung. Mangelnde Sorgfalt im Dienst. Man erteilte mir einen Verweis. Meiner Meinung nach hätte man mich feuern sollen.«
    Sie seufzte und schloß einen Moment lang die Augen. »Und Sie wollen mir weismachen, daß Sie deswegen keine Schuldgefühle haben?«
    »Nicht mehr.«
    »Das glaub' ich Ihnen nicht.«
    »Ich habe meine Strafe verbüßt, Sachs. Ich habe eine ganze Weile mit diesen Toten leben müssen. Aber irgendwann konnte ich sie ruhen lassen. Wie hätte ich denn weiterarbeiten sollen, wenn ich das nicht getan hätte?«
    Eine ganze Weile später sagte sie: »Als ich achtzehn war, hab' ich mal einen Strafzettel gekriegt. Wegen überhöhter Geschwindigkeit. Ich bin mit hundertdreißig durch eine Sechziger-Zone gefahren.«
    »Nun ja.«
    »Papa hat gesagt, er schießt mir das Bußgeld vor, aber ich müßte es ihm zurückzahlen. Mit Zins und Zinseszins. Aber wissen Sie, was er noch gesagt hat? Er hat gesagt, er hätte mir das Fell gegerbt, wenn ich eine rote Ampel überfahren hätte oder wegen rücksichtslosen Verhaltens aufgefallen wäre. Aber für zu schnelles Fahren hätte er Verständnis. >Ich weiß, wie dir zumute ist, mein Schatz<, hat er zu mir gesagt. >Wenn man in Schwung ist, kriegt einen keiner<.« Sachs sagte zu Rhyme: »Wenn ich nicht fahren könnte, wenn ich mich nicht bewegen könnte, würd' ich mich vielleicht auch umbringen.«
    »Ich bin früher überall zu Fuß hingegangen«, sagte Rhyme. »Ich bin nie viel gefahren. Habe seit zwanzig Jahren keinen Wagen mehr besessen. Was für einen haben Sie?«
    »Kein so schickes Teil, wie Sie's vielleicht fahren würden. Einen Chevy. Einen Camaro. Er hat meinem Vater gehört.«
    »Von dem Sie auch die Bohrmaschine haben. Damit Sie an Ihrem Auto arbeiten können, nehme ich an.«
    Sie nickte. »Und einen Drehmomentschlüssel. Ein Zündzeitpunkt-Einstellgerät. Und meinen ersten Satz Ratschenschlüssel - ein Geschenk zu meinem dreizehnten Geburtstag.« Sie lachte leise. »Dieser Chevy, der ist 'ne ziemlich olle Klapperkiste. Wissen Sie, was das ist? Ein typisch amerikanisches Auto. Das Radio, die Lüftung, die Lichtschalter, alles ist locker und klapprig. Aber das Fahrwerk ist hart wie ein Brett, dabei leicht wie eine Eierschachtel, und mit 'nem BMW nehm' ich's allemal auf.«
    »Und ich wette, das haben Sie schon getan.«
    »Ein-, zweimal.«
    »Unter Krüppeln sind Autos besondere Statussymbole«, erklärte Rhyme. »Wir saßen - beziehungsweise lagen - während der Rehabilitation immer auf der Station herum und unterhielten uns darüber, was wir mit dem Geld von der Versicherung machen würden. Kleinbusse, in die man mit dem Rollstuhl fahren kann, waren besonders begehrt. Danach Wagen, die man mit der Hand bedienen kann. Was in meinem Fall natürlich nutzlos wäre.« Er blinzelte, forschte in seinem Gedächtnis nach. »Ich habe seit Jahren in keinem Wagen mehr gesessen. Ich kann mich nicht einmal an meine letzte Fahrt erinnern.«
    »Ich hab' 'ne Idee«, sagte Sachs plötzlich. »Bevor Ihr Freund - dieser Dr. Berger - wieder vorbeikommt, mach' ich mit Ihnen eine Spritztour. Oder geht das nicht? Wegen dem Sitzen? Sie haben gesagt, daß Rollstühle für Sie nicht geeignet wären.«
    »Nun ja, Rollstühle sind heikel. Aber ein Wagen? Ich glaube, das könnte gehen.« Er lachte. »Zweihundertsiebzig Sachen?«
    »Das war eine Ausnahme«, sagte Sachs und nickte versonnen. »Gute äußere Bedingungen. Weit und breit

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