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Der Knochenjäger

Titel: Der Knochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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ich ihn nicht durchgelassen. Während er an der Absperrung stand und auf mich einschrie, versuchte ein Stellvertreter des Polizeichefs durchzubrechen. Ich habe es ihm untersagt. Darauf fing der ebenfalls an, mich anzuschreien. Der Tatort bleibt unberührt, bis die IRD damit fertig ist, habe ich ihnen erklärt. Raten Sie mal, wer zu guter Letzt aufgekreuzt ist.«
    »Der Bürgermeister?«
    »Nun ja, der stellvertretende Bürgermeister.«
    »Und Sie haben sie alle zurückgehalten?«
    »Niemand außer den Fingerabdruckexperten und den Fotografen hat den Tatort betreten. Natürlich hat man es mir heimgezahlt und mich sechs Monate lang Fingerabdrücke von Wasserleichen nehmen lassen. Aber wir haben den Täter anhand einiger Spuren und aufgrund eines Fingerabdrucks auf einem der Polaroidbilder dingfest gemacht - zufällig war es das Foto, das die Post auf der Titelseite gebracht hatte. Genau das gleiche haben Sie gestern morgen getan, Sachs. Als Sie die Bahnstrecke und die Eleventh Avenue gesperrt haben.«
    »Ich habe gar nicht drüber nachgedacht«, sagte sie. »Ich hab's einfach gemacht. Wieso gucken Sie mich so an?«
    »Kommen Sie, Sachs. Sie wissen doch, wo Sie hingehören. Auf die Straße. Ob im Streifendienst, bei der Kriminalpolizei oder bei der Spurensicherung, das ist egal... Aber in der Presseabteilung? Dort versauern Sie. Für manche Leute mag das ein guter Posten sein, aber nicht für Sie. Geben Sie nicht so schnell auf.«
    »Ach, und Sie geben nicht auf? Was ist mit Berger?«
    »Bei mir steht die Sache ein bißchen anders.«
    Wirklich? fragte ihr Blick. Sie stand auf und besorgte sich ein Kleenex. Als sie wieder zum Sessel zurückkehrte, fragte sie: »Und Sie schleppen keine Toten mit sich herum?«
    »Früher schon. Aber inzwischen sind sie alle begraben.«
    »Erzählen Sie.«
    »Wirklich, da gibt es nichts -«
    »Stimmt nicht. Das merke ich doch. Kommen Sie - ich habe Ihnen von meinen erzählt.«
    Ein seltsames Frösteln befiel ihn. Er wußte, daß es keine Dysregulation war. Seine Miene wurde ernst.
    »Rhyme, schießen Sie los«, beharrte sie. »Ich möchte es hören.«
    »Nun ja, vor ein paar Jahren gab es einen Fall«, sagte er. »Ich habe einen Fehler gemacht. Einen schweren Fehler.«
    »Erzählen Sie.« Sie schenkte ihnen beiden noch einen Fingerbreit Scotch ein.
    »Es ging um Mord und Selbstmord bei einer familiären Auseinandersetzung. Ehemann und Frau in einer Wohnung in Chinatown. Er hat sie erschossen und sich anschließend selbst umgebracht. Ich hatte nicht viel Zeit und untersuchte den Tatort nicht gründlich genug. Und ich beging einen klassischen Fehler - ich hatte schon entschieden, was ich finden würde, noch ehe ich überhaupt mit der Suche begann. Ich fand einige Fasern, die nicht recht ins Bild paßten, aber ich nahm an, daß sie der Mann oder die Frau ins Haus gebracht hatte. Ich fand Bruchstücke der Kugel, habe aber nicht den entsprechenden Vergleich mit der Waffe vorgenommen, die wir am Tatort fanden. Ich bemerkte die typischen Schußresiduen, habe aber die Spuren nicht mit der Position der Waffe verglichen. Ich habe den Tatort untersucht, mich verabschiedet und bin zurück ins Büro gegangen.«
    »Was ist passiert?«
    »Die Spuren waren fingiert. Es war in Wirklichkeit ein Raubmord. Und der Täter hatte die Wohnung gar nicht verlassen.«
    »Was? Er war noch da?«
    »Nachdem ich weg war, kroch er unter dem Bett hervor und eröffnete das Feuer. Er tötete einen Kriminaltechniker und verletzte einen Polizeiarzt. Er lief auf die Straße und lieferte sich dort eine Schießerei mit zwei Streifenpolizisten, die den Notruf gehört hatten. Der Täter wurde angeschossen - er starb später -, aber er tötete einen der Cops und verletzte den anderen. Außerdem schoß er eine Familie nieder, die gerade aus einem China-Restaurant auf der anderen Straßenseite kam. Benutzte eins der Kinder als Schutzschild.«
    »O mein Gott.«
    »Colin Stanton, so hieß der Vater. Er war unverletzt geblieben, und er war Arzt beim Militär - der Notarzt sagte, er hätte vermutlich seine Frau oder ein Kind, vielleicht auch beide, retten können, wenn er versucht hätte, die Blutung zu stillen. Aber er verlor die Nerven und war wie erstarrt. Er stand nur da und sah zu, wie sie vor seinen Augen starben.«
    »Herrgott, Rhyme. Aber es war nicht Ihre Schuld. Sie -«
    »Lassen Sie mich ausreden. Es ist noch nicht zu Ende.«
    »Nein?«
    »Der Mann ging nach Hause - er wohnte droben im Staat New York. Hatte einen

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