Der Knochenjäger
in die Neunundfünfzigste Straße, schlitterte weiter über den Bürgersteig, als ihr lieb war.
Da, eine Kirche. Etwa hundert Meter vor ihr.
Gottesdienstbesucher auf der Vortreppe - Elternpaare, kleine Mädchen in rosa und weißen Rüschenkleidern, Jungen in dunklen Anzügen und weißen Hemden, die Haare zu ausgebleichten Dreadlocks geflochten oder nach Gangsta-Art hochgesteckt.
Und eine kleine graue Rauchwolke aus einem Kellerfenster.
Sachs drückte das Gaspedal durch, ließ den Motor aufheulen.
Griff zum Funkgerät. »Einsatzwagen zwo an Zentrale. Kommen.«
Und als sie einen Moment lang den Blick von der Fahrbahn wandte, um sich davon zu überzeugen, daß das Motorola auf höchste Lautstärke eingestellt war, stieß unmittelbar vor ihr ein schwerer Mercedes aus einer Ausfahrt.
Eine Familienkutsche voller Kinder, die Augen vor Schreck weit aufgerissen, als der Vater plötzlich auf die Bremse trat.
Ohne lange nachzudenken, riß Sachs das Lenkrad nach links und versuchte an dem Hindernis vorbeizudriften. Komm schon, betete sie leise vor sich hin, los, komm schon, komm. Doch die Reifen griffen nicht. Der Asphalt war ölgetränkt, von der tagelangen Hitze aufgeweicht und zudem taufeucht. Der Wagen glitschte weg wie auf Schmierseife.
Mit etwa fünfundachtzig Sachen schrammte das Heck des Kombis die Vorderseite des Mercedes. Krachend flog die Heckklappe da von. Die schwarzen Spurensicherungskoffer wurden durch die Luft geschleudert und gingen auf, so daß ihr Inhalt quer über die Straße verstreut wurde. Rundum suchten die Gläubigen Deckung vor den Glas-, Plastik- und Metallsplittern.
Dann ging der Airbag los und sackte zu Sachs' Entsetzen wieder in sich zusammen. Sie schlug die Hände vors Gesicht, als der Kombi über die am Straßenrand geparkten Wagen hinwegkatapultiert wurde, einen Zeitungskiosk umriß und dann auf dem Dach liegenblieb. Rundum segelten Zeitungsblätter und Beweismitteltüten zu Boden.
Sachs, die kopfunter im Sitz hing, vor lauter Haaren kaum etwas sehen konnte, sich das Blut von der aufgeschlagenen Stirn und der zerbissenen Lippe wischte, versuchte die Gurtschnalle zu öffnen. Sie saß fest. Heißer Treibstoff strömte in den Wagen und rann über ihren Unterarm. Sie zog ihr Taschenmesser, klappte es auf und durchtrennte den Sicherheitsgurt. Hätte sich beinahe gestochen, als sie nach unten fiel. Dann lag sie keuchend und würgend inmitten der Benzindämpfe.
Komm schon, Mädchen, raus hier. Raus!
Die Türen waren verklemmt, und das Heck war so eingedrückt, daß es auch dort kein Entkommen gab. Sachs trat gegen die Fenster. Das Glas hielt stand. Sie holte mit dem Fuß weit aus und stieß mit aller Kraft gegen die gesprungene Windschutzscheibe. Vergebens, abgesehen davon, daß sie sich fast den Knöchel verstaucht hätte.
Die Dienstwaffe!
Sie griff zum Hüftholster, doch die Waffe war herausgerutscht und irgendwo im Wagen gelandet. Hektisch wühlte sie zwischen den ringsum verstreuten Papieren und Spurensicherungsutensilien herum.
Dann sah sie die schwere Glock. Sie lag neben der Innenbeleuchtung. Sie ergriff sie und zielte auf das Seitenfenster.
Los jetzt. Freies Schußfeld, noch keine Schaulustigen.
Dann zögerte sie. Und wenn sich durch das Mündungsfeuer die Benzindämpfe entzündeten?
Sie war unschlüssig, hielt die Waffe soweit wie möglich von ihrer durchtränkten Uniformbluse weg. Dann drückte sie ab.
ACHTUNDZWANZIG
Fünf Treffer, sternförmig angesetzt, doch die Verbundglasscheibe von General Motors war unverwüstlich.
Drei weitere Schüsse hallten donnernd durch das Wageninnere. Wenigstens explodierte das Benzin nicht.
Wieder trat sie mit den Füßen zu. Und jetzt endlich zersplitterte das Glas in tausend blaugrüne Trümmer. Und kaum hatte sie sich herausgerollt, als der Wagen Feuer fing.
Sachs zog sich bis aufs Unterhemd aus, warf die benzingetränkte Bluse und die kugelsichere Weste weg, riß sich die Kopfhörer und das Mikrofon herunter. Trotz ihres angeknacksten Knöchels rannte sie auf das Kirchenportal zu, vorbei an flüchtenden Gläubigen und Chormitgliedern. Dichter Qualm waberte durch die Kirche. In unmittelbarer Nähe wellten sich die Dielen und gingen in Flammen auf.
Dann tauchte mit einemmal der Pfarrer auf - tränenüberströmt, hustend und würgend. Er zerrte eine besinnungslose Frau hinter sich her. Sachs half ihm, sie zur Tür zu schaffen.
»Wo geht's zum Keller?« fragte sie.
Er hustete heftig, schüttelte den Kopf.
»Wo?« schrie sie,
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