Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Knochenjäger

Titel: Der Knochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
Vom Netzwerk:
schalldicht. Sie hatte keine Luft mehr in der Lunge, hörte keinerlei Ton. Stille, bis auf die schwermütige Melodie und das immer stärker anschwellende Rauschen in ihren Ohren.
    Dann ließ der Druck auf ihrem Gesicht nach, und ihr Körper wurde gefühllos, genauso gefühllos wie Lincoln Rhymes. Ihr schwanden die Sinne.
    Pechschwarze, tiefe Dunkelheit. Kein tröstendes Wort von ihrem Vater. Kein Ton von Nick... Nicht einmal ein letzter Traum vom Autofahren, wie sie vom fünften in den vierten runterschaltete, den Motor hochjagte.
    Nur Schwärze.
    Die Toten...
    Gewaltige Massen, die auf sie einsanken, nachdrängten, sie erdrückten. Und schließlich doch ein Bild: die Hand, die gestern morgen aus dem Grab geragt hatte, als wollte sie um Gnade flehen. Wo doch keine Gnade zu erwarten war.
    Die sie zu sich winkte.
    Rhyme, du wirst mir fehlen.
    ... ruhen lassen...
     
     
    VIERUNDDREISSIG
    Irgend etwas traf sie an der Stirn. Heftig. Sie spürte den Schlag, empfand aber keinen Schmerz.
    Was, was war das? Seine Schaufel? Ein Ziegelstein? War Nummer 238 vielleicht in einem Moment des Mitleids zur Einsicht gelangt, daß kein Mensch eines so grauenhaft langsamen Todes sterben sollte ? Wollte er ihr den Schädel einschlagen, die Kehle durchtrennen?
    Wieder ein Schlag, dann noch einer. Sie konnte die Augen nicht aufschlagen, nahm aber das Licht wahr, das zunehmend heller wurde. Die Farben. Und die Luft. Sie befreite ihren Mund von den Erdmassen und holte in flachen Atemzügen Luft, soviel sie nur konnte. Hustete, fing an zu würgen, spie aus.
    Sie riß die Augen auf, nahm unter Erde und Tränen Lon Sellitto wahr, der über ihr kniete, daneben zwei Notärzte. Einer hatte Latexhandschuhe übergezogen, griff in ihren Mund und entfernte weitere Erdreste, während der andere eine Atemmaske und eine grüne Sauerstoffflasche bereithielt.
    Sellitto und Banks schaufelten mit kräftiger Hand die Erde von ihrem Leib, gruben sie weiter aus. Sie zogen sie hoch, so daß ihr der Bademantel von der Schulter glitt und in der Grube liegenblieb. Sellitto, der wußte, wie man mit Frauen umgehen mußte, auch wenn er geschieden war, wandte keusch den Blick ab, während er ihr sein Sakko um die Schultern hängte. Banks schaute hin, aber sie hätte ihn trotzdem knutschen können.
    »Habt... Ihr ... ?« keuchte sie, dann wurde sie wieder von einem Hustenanfall geschüttelt.
    Sellitto schaute erwartungsvoll zu Banks, der weitaus atemloser wirkte als er. Offenbar war er hinter dem Unbekannten hergerannt. Der junge Detective schüttelte den Kopf. »Entkommen.«
    Sie setzte die Atemmaske auf und atmete einen Moment lang reinen Sauerstoff ein.
    »Wie?« keuchte sie. »Wie seid ihr daraufgekommen?«
    »Rhyme war's«, antwortete er. »Fragen Sie mich nicht, wie. Er hat alle Beteiligten um sofortige Rückmeldung gebeten. Als er gehört hat, daß mit uns alles in Ordnung ist, hat er uns auf schnellstem Weg hierhergeschickt.«
    Dann, mit einemmal, ließ die Gefühllosigkeit nach. Und erst jetzt begriff sie, was ihr beinahe widerfahren wäre. Sie ließ die Sauerstoffmaske fallen, wich entsetzt zurück, und während ihr die Tränen aus den Augen strömten, schrie sie voll Angst: »Nein, nein, nein.«
    Sie schlug wie wild um sich, als wollte sie das Grauen abschütteln wie einen Bienenschwarm, der sich auf ihr niedergelassen hatte.
    »O Gott, o mein Gott... Nein ...»
    »Sachs?« rief Banks beunruhigt. »He, Sachs.«
    Sellitto winkte den jungen Detective weg. Er legte ihr die Arme um die Schulter, als sie auf alle viere sank, sich heftig übergab, weinte und weinte und die Hände verzweifelt in die Erde grub, als wollte sie es ihr heimzahlen.
    Schließlich beruhigte sich Sachs wieder und setzte sich zurück. Sie fing an zu lachen, leise zunächst, doch dann immer lauter, geradezu hysterisch, und zu ihrem Erstaunen stellte sie fest, daß Wolken aufgezogen waren und Regen fiel - schwere, warme Tropfen -, ohne daß sie es bisher wahrgenommen hatte.
    Die Arme um seine Schulter geschlungen. Ihr Gesicht an seins gedrückt. Einen ganze Weile hielt sie ihn eng umschlungen.
    »Sachs... o Sachs.«
    Sie trat vom Clinitron zurück und holte sich einen alten Armsessel aus der hinteren Zimmerecke. Sachs, die eine marineblaue Jogginghose und ein T-Shirt mit der Aufschrift »Hunter College« trug, sank in den Sessel und ließ die eleganten Beine wie ein Schulmädchen über die Armlehne baumeln.
    »Wieso wir, Rhyme? Wieso ist er hinter uns her?« Ihre Stimme klang noch immer rauh

Weitere Kostenlose Bücher