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Der Knochenjäger

Titel: Der Knochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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stäubt vermutlich noch stundenlang deine Wohnung ein.«
    Rhyme spürte, wie ihn unbändige Erwartung durchzuckte. Das verkniff er sich lieber, dachte er, stinksauer auf sich. Bis ihr Gesicht aufstrahlte. »Ja, gern«, sagte sie lächelnd.
    »Gut.« Sein Mund zitterte vor Aufregung. »Wunderbar. Thom.«
    Musik hören, Scotch trinken. Er könnte ihr vielleicht noch mehr über berühmte Tatorte erzählen. Und als historisch interessierter Mensch wollte er auch etwas über ihren Vater erfahren, über den Polizeidienst in den sechziger und siebziger Jahren. Über die damaligen Zustände im berüchtigten Revier von Midtown South.
    »Thom!« rief Rhyme. »Hol ein paar Laken. Und eine Decke. Thom! Weiß der Teufel, wo der sich schon wieder herumtreibt. Thom!«
    Sachs wollte etwas sagen, doch im gleichen Moment tauchte der Adlatus in der Tür auf und sagte unwirsch: »Einmal laut rufen hätte durchaus genügt, Lincoln.«
    »Amelia bleibt über Nacht. Würdest du Bettwäsche und Kissen für die Couch holen?«
    »Nein, nicht noch mal die Couch«, sagte sie. »Da liegt man wie auf felsigem Boden.«
    Rhyme kam sich mit einemmal zurückgewiesen vor. Das hatte er auch schon lang nicht mehr erlebt, dachte er wehmütig. Schicksalsergeben, aber trotzdem lächelnd sagte er: »Unten ist ein Schlafzimmer. Thom wird es für dich herrichten.«
    Aber Sachs stellte ihre Handtasche ab. »Schon in Ordnung, Thom. Das ist nicht nötig.«
    »Macht keinerlei Umstände.«
    »Schon in Ordnung. Gute Nacht, Thom.« Sie ging zur Tür.
    »Tja, ich-«
    Sie lächelte.
    »Aber -«, fing er an und schaute zu Rhyme, der die Stirn runzelte und den Kopf schüttelte.
    »Gute Nacht, Thom«, sagte sie bestimmt. »Achten Sie auf Ihre Füße.« Und sie schloß langsam die Tür, während er sich in den Flur zurückzog. Mit einem lauten Klicken fiel sie ins Schloß.
    Sachs streifte ihre Schuhe ab und zog die Jogginghose und das T-Shirt aus. Sie trug einen Spitzen-BH und einen weiten Baumwollschlüpfer. Dann stieg sie zu Rhyme ins Clinitron - ganz die schöne Frau, die weiß, wann man die Initiative ergreifen muß, wenn man mit einem Mann ins Bett geht.
    Sie kuschelte sich in die mit Kügelchen gefüllte Matratze und lachte. »Das ist ja ein heißes Bett«, sagte sie und räkelte sich wie eine Katze. Mit geschlossenen Augen fragte sie schließlich: »Es stört dich doch nicht, oder?«
    »Es stört mich überhaupt nicht.«
    »Rhyme?«
    »Was ist?«
    »Erzählst du mir noch was aus deinem Buch, okay? Über ein paar andere Tatorte?«
    Er wollte ihr von einem schlauen Massenmörder in Queens berichten, aber kaum eine Minute später war sie eingeschlafen.
    Rhyme blickte nach unten und sah, daß ihre Brüste an seinem Leib ruhten, ihre Knie an seinem Schenkel. Zum erstenmal seit Jahren streifte Frauenhaar sein Gesicht. Es kitzelte. Er hatte vergessen, daß so etwas vorkam. Zu seiner Überraschung mußte er feststellen, daß ausgerechnet er, der vorwiegend in der Vergangenheit lebte und so ein gutes Gedächtnis hatte, sich nicht mehr genau daran erinnern konnte, wann er dieses Gefühl zum letztenmal erlebt hatte. Aber er entsann sich undeutlich an so manche Nacht, in der er neben Blaine gelegen hatte - er nahm an, daß es vor dem Unfall gewesen war. Er konnte sich erinnern, daß er sich dazu durchgerungen hatte, das Kitzeln zu ertragen, die Strähnen nicht zu entfernen, damit er seine Frau nicht störte.
    Natürlich könnte er Sachs' Haar nun nicht wegstreifen, selbst wenn Gott höchstpersönlich es verlangt hätte. Aber er wollte es auch gar nicht beiseite schieben. Ganz im Gegenteil - er wollte das Gefühl bis ans Ende aller Tage auskosten.
     
     
    FÜNFUNDDREISSIG
    Am nächsten Morgen war Lincoln Rhyme wieder allein.
    Thom war einkaufen gegangen, und Mel Cooper war im IRD-Labor in der Zentrale. Vince Peretti und seine Leute hatten die Tatortarbeit in dem Haus an der Van Brevoort Street und in Sachs' Wohnung abgeschlossen. Sie hatten herzlich wenig Spuren gefunden, doch Rhymes Ansicht nach war das eher auf die Umsicht des Unbekannten zurückzuführen, nicht auf Perettis Unvermögen.
    Rhyme wartete auf den Tatortbefundbericht. Aber sowohl Dobyns als auch Sellitto glaubten, daß Nummer 238 untergetaucht war - vorübergehend zumindest. Bislang waren keine weiteren Anschläge auf die Polizei verübt worden, und in den letzten zwölf Stunden hatte es auch keine Entführung mehr gegeben.
    Sachs' Aufpasser - ein kräftiger Streifenpolizist - hatte sie zu einem Termin bei einem

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