Der Knochenjäger
war?
Vielleicht konnte er ihnen von der Stechmücke erzählen, die sich letzte Nacht ins Zimmer verirrt hatte und eine Stunde lang um seinen Kopf geschwirrt war. Rhyme war vor Anstrengung schwindlig geworden, weil er sie durch ständiges Nicken immer wieder verscheucht hatte, bis das Insekt schließlich auf seinem Ohr gelandet war, wo er sich von ihm stechen ließ - denn wenn es ihn dort juckte, konnte er sich am Kissen reiben und Linderung verschaffen.
Sellitto zog eine Augenbraue hoch.
»Heute«, sagte Rhyme seufzend. »Ein Tag. Mehr nicht.«
»Danke, Linc. Wir stehen in deiner Schuld.« Sellitto zog einen Stuhl neben das Bett. Bedeutete Banks mit einem Kopfnicken, es ihm gleichzutun. »Nun. Laß hören, was du denkst. Was für ein Spiel treibt dieses Arschloch?«
»Nicht so schnell«, sagte Rhyme. »Ich arbeite nicht allein.«
»Von mir aus. Wen willst du dabeihaben?«
»Einen Kriminaltechniker von der IRD. Den besten Laborspezialisten, den es gibt. Ich möchte ihn hier haben, mitsamt der Grundausstattung. Und wir sollten ein paar Jungs vom Einsatzkommando hinzuziehen. Oh, und außerdem will ich ein paar Telefone haben.« Während Rhyme seine Anweisungen gab, warf er einen Blick zu dem Scotch auf seinem Toilettentisch. Er dachte an den Cognac, der zu Bergers Ausstattung gehörte. Nie und nimmer würde er mit derart billigem Fusel abtreten. Er wollte sich den Abgang entweder mit einem sechzehn Jahre alten Lagavulin oder mit einem kräftigen, jahrzehntelang gereiften Macallan versüßen. Oder - warum nicht? - mit beiden.
Banks zückte sein Handy. »Was für Anschlüsse? Bloß für -«
»Terrestrisch.«
»Hier drin?«
»Natürlich nicht«, blaffte Rhyme.
»Er meint, er will Leute haben, die die Anrufe erledigen. Von der Zentrale aus.«
»Oh.«
»Ruf im Präsidium an«, befahl Sellitto. »Sorg dafür, daß sie uns drei, vier Telefonistinnen zuteilen.«
»Lon«, fragte Rhyme, »wer erledigt die Laufarbeit in der Mordsache von heute morgen?«
Banks mußte sich das Lachen verkneifen. »Die Hardy Boys.«
Als er Rhymes funkelnden Blick sah, hörte er auf zu grinsen. »Die Detectives Bedding und Saul, Sir«, fügte er rasch hinzu.
Aber dann grinste auch Sellitto. »Die Hardy Boys. Jeder nennt sie so. Du kennst sie nicht, Linc. Sie sind bei der Zielfahndungsgruppe Mord in der Zentrale.«
»Sie sehen irgendwie gleich aus, das ist es«, erklärte Banks. »Und, na ja, ihr Auftreten ist ein bißchen komisch.«
»Ich will keine Komiker.«
»Nein, sie sind gut«, sagte Sellitto. »Die besten Klinkenputzer, die wir haben. Erinnerst du dich noch an diese Bestie, die letztes Jahr in Queens ein achtjähriges Mädchen entführt hat? Bedding und Saul haben herumgefragt. Haben die ganze Nachbarschaft verhört - haben zweitausendzweihundert Aussagen aufgenommen. Nur ihretwegen konnten wir die Kleine retten. Als wir gehört haben, daß es sich bei dem Opfer von heute morgen um den Fluggast vom Kennedy Airport handelt, hat Chief Wilson sie persönlich eingesetzt.«
»Was machen sie jetzt?«
»Hauptsächlich Zeugen aufspüren. Rund um die Bahnstrecke. Und sich nach dem Fahrer und dem Taxi erkundigen.«
»Hast du Berger angerufen?« brüllte Rhyme zu Thom, der sich im Flur aufhielt »Nein, natürlich nicht. Der Begriff >Insubordination< sagt dir wohl gar nichts? Mach dich wenigstens nützlich. Bring den Tatortbefundbericht näher her und blättere die Seiten um.« Er deutete mit dem Kopf auf das Umblättergerät. »Das verdammte Ding ist eine Fehlkonstruktion.«
»Na, heute sind wir ja bester Laune!« versetzte der Adlatus.
»Halt ihn höher. Das Licht spiegelt sich.«
Er las einen Moment lang. Dann blickte er auf.
Sellitto war am Telefon, doch Rhyme unterbrach ihn. »Unabhängig davon, was heute um fünfzehn Uhr passiert, und ob wir feststellen können, welchen Ort er meint - es wird auf jeden Fall ein Tatort sein. Ich brauche jemand, der ihn untersucht.«
»Gut«, sagte Sellitto. »Ich rufe Peretti an. Werfe ihm einen Knochen vor. Ich weiß, daß er außer sich ist, weil wir ihn übergangen haben.«
Rhyme schniefte. »Habe ich um Peretti gebeten?«
»Aber er ist der Strahlemann der IRD«, sagte Banks.
»Ich will ihn nicht haben«, grummelte Rhyme. »Ich will jemand anders.«
Sellitto und Banks warfen sich einen Blick zu. Der Altere lächelte, strich vergeblich über sein zerknittertes Hemd. »Wen immer du willst, Linc, du kriegst ihn. Denk dran, du bist König für einen Tag.«
Sie starrte auf das düstere
Weitere Kostenlose Bücher