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Der Knochenjäger

Titel: Der Knochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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der heute Tag gemeint ist?«
    »Es ist keine Seitenzahl.« Rhyme zog eine Augenbraue hoch. Sie kapierten es immer noch nicht. »Logik! Die Hinweise wurden nur aus einem Grund hinterlassen: Er will uns etwas mitteilen. Wenn das der Fall ist, muß es sich bei der Zahl 238 um mehr handeln als lediglich um eine Seitenzahl, zumal es keinerlei Hinweise darauf gibt, aus welchem Buch sie stammt. Nun ja, aber wenn es keine Seitenzahl ist, was ist es dann?«
    Schweigen.
    »Es ist ein Datum«, versetzte Rhyme unwirsch. »Der dreiundzwanzigste Achte. Der dreiundzwanzigste August. Heute nachmittag um fünfzehn Uhr wird etwas passieren. Nun, und das Faserknäuel? Das ist Asbest.«
    »Asbest?« fragte Sellitto.
    »Die Formel im Bericht, das ist Hornblende. Siliziumdioxyd. Das ist Asbest. Weshalb Peretti es ans FBI geschickt hat, entzieht sich meinem Verständnis. Also. Wir finden Asbest auf einem Bahnkörper, wo es nichts zu suchen hat. Und wir haben eine Eisenschraube mit starken Rostspuren am Kopf, nicht aber am Gewinde. Das heißt, daß sie lange Zeit irgendwo eingeschraubt war und erst kürzlich entfernt wurde.«
    »Vielleicht wurde sie mit dem Erdreich zutage gefördert«, warf Banks ein. »Als er das Grab ausgehoben hat.«
    »Nein«, erwiderte Rhyme. »In Midtown ist das Muttergestein dicht unter der Oberfläche, folglich also auch der Grundwasserspiegel. Von der Vierunddreißigsten Straße bis hinauf nach Harlem ist das Erdreich so feucht, daß Eisen binnen weniger Tage oxidiert. Wenn sie im Boden gesteckt hätte, wäre sie nicht bloß am Kopf verrostet. Nein, sie wurde irgendwo abgeschraubt und zum Tatort gebracht. Und dieser Sand ... Komm schon, was hat weißer Sand auf einer Eisenbahntrasse mitten in Manhattan verloren? Der dortige Boden besteht aus Lehm, Schlick, Granit, Ortstein und weicher Tonerde.«
    Banks wollte etwas sagen, doch Rhyme ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Und wozu lagen all diese Sachen so dicht beisammen? Na, er will uns etwas mitteilen, unser Unbekannter. Darauf könnt ihr wetten. Banks, wie sieht's mit der Zugangstür aus?«
    »Sie hatten recht«, sagte der junge Mann. »Etwa dreißig Meter nördlich des Grabes hat man eine entdeckt. Von innen aufgebrochen. Auch mit den Fingerabdrücken hatten Sie recht. Null. Und weder Reifenabdrücke noch Schleifspuren.«
    Ein Knäuel aus schmutzigem Asbest, eine Schraube, ein Fetzen Zeitungspapier...
    »Was ist mit dem Tatort?« fragte Rhyme. »Noch abgesperrt?«
    »Freigegeben.«
    Lincoln Rhyme, der Krüppel mit der Monsterlunge, stieß laut und verächtlich die Luft aus. »Wer hat denn den Fehler begangen?«
    »Weiß ich nicht«, sagte Sellitto lahm. »Der Wachführer vermutlich.«
    Rhyme verstand. Es war Peretti gewesen. »Dann müßt ihr euch mit dem begnügen, was ihr habt.«
    Sämtliche Hinweise darauf, wer der Kidnapper war und was er im Sinn hatte, waren demnach entweder im Bericht enthalten oder für immer verloren, zertrampelt von Polizisten, Schaulustigen und Eisenbahnarbeitern. Die Kleinarbeit - das Befragen der Nachbarschaft, das Verfolgen von Spuren, die traditionelle Ermittlungstätigkeit - konnte in aller Ruhe erfolgen. Aber an Tatorten mußte man arbeiten »wie ein geölter Blitz«, wie Rhyme seinen Untergebenen bei der IRD eingeschärft hatte. Und er hatte mehr als nur ein paar Kriminaltechniker gefeuert, weil sie sich seiner Ansicht nach nicht schnell genug bewegt hatten.
    »Peretti hat sich persönlich um den Tatort gekümmert?« fragte er.
    »Peretti plus volle Besetzung.«
    »Volle Besetzung?« fragte Rhyme spöttisch. »Was ist eine volle Besetzung?«
    Sellitto schaute zu Banks, worauf dieser sagte: »Vier Techniker von der Fotoabteilung, vier Fingerabdruckspezialisten. Ein achtköpfiger Suchtrupp. Ein Gerichtsmediziner.«
    »Acht Mann zum Absuchen des Tatorts?«
    Es gibt statistische Erfahrungswerte für die Arbeit am Tatort. Bei einem einfachen Mord gelten zwei Leute als die Idealbesetzung. Wenn man allein ist, kann man etwas übersehen; ab drei aufwärts aber besteht die Gefahr, daß noch mehr übersehen wird. Lincoln Rhyme hatte Tatorte immer allein untersucht. Die Fingerabdruckexperten durften die für sie wichtigen Spuren sichern, die Fotografen ihre Bilder schießen und ihre Videos aufnehmen. Doch den Tatort schritt nur er ab.
    Peretti. Rhyme hatte den jungen Mann, Sohn eines wohlhabenden Politikers, vor sechs, sieben Jahren eingestellt, und er hatte sich als guter Kriminalist erwiesen, der bei den Ermittlungen streng nach Vorschrift

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