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Der Knochenjäger

Titel: Der Knochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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herumgeplagt.
    »Sagen Sie mal, Doktor, könnten Sie mir vielleicht einen Gefallen tun? Dieser Bericht da. Könnten Sie ihn mal durchblättern? Nachsehen, ob Sie eine Abbildung von einer Schraube finden?«
    Berger zögerte. »Eine Abbildung?«
    »Eine Polaroidaufnahme. Sie müßte irgendwo hinten eingeklebt sein. Mit dem Umblättergerät dauert es zu lange.«
    Berger nahm den Bericht aus der Apparatur und blätterte ihn vor Rhymes Augen durch.
    »Da. Stopp.«
    Beim Betrachten des Fotos erfaßte ihn eine innere Unruhe. O nein, nicht hier, nicht jetzt. Bitte nicht.
    »Entschuldigung, könnten Sie wieder zu der Seite zurückblättern, auf der wir waren?«
    Berger tat es.
    Rhyme sagte nichts, vertiefte sich in den Text.
    Die Papierschnipsel...
    Fünfzehn Uhr... Seite 238.
    Rhymes Herz raste, Schweiß stand ihm auf der Stirn. Ein Summton gellte in seinen Ohren.
    Das gäbe eine Schlagzeile für die Boulevardpresse: TOD BEIM GESPRÄCH MIT STERBEHELFER...
    Berger kniff die Augen zusammen. »Lincoln? Ist alles in Ordnung?« Er musterte Rhyme mit forschendem Blick.
    »Tut mir leid, Doktor. Aber ich muß mich noch um etwas kümmern.«
    Berger nickte bedächtig, unschlüssig. »Dann haben Sie Ihre Angelegenheiten also doch noch nicht ganz geregelt?«
    Lächeln. Ganz locker geben. »Ob ich Sie wohl bitten dürfte, in ein paar Stunden wiederzukommen?»
    Ganz vorsichtig. Wenn er spannt, daß du dich noch für etwas interessierst, hakt er dich unter »nicht sterbewillig« ab, packt seine Flaschen und seine Plastiktüte ein und fliegt zurück ins gelobte Land.
    Berger schlug ein Notizbuch auf und sagte: »Heute geht es nicht mehr. Dann also morgen ... Nein. Ich fürchte, ich bin frühestens am Montag wieder frei. Übermorgen.«
    Rhyme zögerte. Herrgott... Endlich hatte er das, wonach er sich von ganzem Herzen sehnte, in Reichweite, das, wovon er im letzten Jahr tagtäglich geträumt hatte. Ja oder nein?
    Entscheide dich.
    Schließlich hörte er sich sagen: »Na schön, am Montag also.« Und er rang sich dazu ein gequältes Lächeln ab.
    »Was steht denn noch an?»
    »Es geht um jemand, mit dem ich mal gearbeitet habe. Er hat mich um ein paar Ratschläge gebeten. Aber ich war nicht so ganz bei der Sache. Ich muß ihn anrufen.«
    Nein, es war kein Anfall - keine Panikattacke.
    Lincoln Rhyme erlebte etwas, was er seit Jahren nicht mehr gespürt hatte: Er hatte es verdammt eilig.
    »Dürfte ich Sie bitten, Thom raufzuschicken ? Ich glaube, er ist unten in der Küche.«
    »Ja, natürlich. Gerne doch.«
    Rhyme meinte, ein eigenartiges Flackern in Bergers Augen zu sehen. Was war es ? Vorsicht? Vielleicht. Es kam ihm fast so vor, als wäre er enttäuscht. Aber er hatte jetzt keine Zeit für derartige Gedanken. Sobald er hörte, daß der Doktor nach unten stieg, schrie er mit dröhnendem Bariton: »Thom? Thom?«
    »Was gibt's?« meldete sich der junge Mann.
    »Ruf Lon an. Sag ihm, er soll herkommen. Sofort!«
    Rhyme warf einen Blick auf die Uhr. Kurz nach zwölf. Sie hatten allenfalls noch drei Stunden Zeit.
     
     
    VIER
    »Die Spuren am Tatort sind fingiert«, sagte Lincoln Rhyme.
    Lon Sellitto hatte sein Sakko abgelegt, unter dem er ein fürchterlich zerknittertes Oberhemd trug. Er lehnte mit verschränkten Armen an einem mit Papieren und Büchern übersäten Tisch.
    Jerry Banks war ebenfalls zurück und schaute Rhyme mit seinen blaßblauen Augen an; das Bett und die Steuerkonsole interessierten ihn nicht mehr.
    Sellitto runzelte die Stirn. »Aber was für eine Geschichte will uns der Unbekannte andrehen?«
    Oftmals, vor allem bei Mordfällen, hinterlassen Straftäter fingierte Spuren am Tatort, um die Ermittler in die Irre zu führen. Manche stellten es schlau an, die meisten jedoch nicht. Wie zum Beispiel der Ehemann, der seine Frau zu Tode schlug und die Tat dann als Raubüberfall hinzustellen versuchte - doch er schaffte nur ihren Schmuck beiseite, ließ aber seine goldenen Armkettchen und den Diamantring auf seinem Toilettentisch liegen.
    »Das ist ja das Interessante«, fuhr Rhyme fort. »Es geht nicht um das, was passiert ist, Lon. Es geht um das, was passieren wird.«
    »Wie kommst du darauf?« fragte Sellitto, der Skeptiker.
    »Die Papierschnipsel. Die bedeuten soviel wie heute um fünfzehn Uhr.«
    »Heute?«
    »Schau!« Mit einem ungeduldigen Kopfnicken deutete er auf den Bericht.
    »Auf dem einen Schnipsel steht fünfzehn Uhr«, warf Banks ein.
    »Aber auf dem anderen ist nur eine Seitenzahl. Wie kommen Sie darauf, daß damit

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