Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt
nicht, dass sie die Anzeige aufgegeben hatte, und als der Beamte Larry Dykes ins Haus der Rogers’ kam, stellte er fest, dass Pattys Portemonnaie, ihre Autoschlüssel und die Zigaretten auf dem Küchentisch lagen. Dass eine Frau ohne diese Dinge für drei Tage das Haus verließ, kam ihm seltsam vor, ganz zu schweigen von ihren Kindern.
Patty blieb verschwunden; ihre Töchter wohnten vorerst bei Matts Eltern. Am 21. Juli wurde die Vermisstenanzeige zur Bearbeitung an Detective David Tripp übergeben. Je länger sich Tripp mit dem Fall beschäftigte, desto sicherer war er, dass Patty nicht einfach aus dem Haus von Mann und Kindern spaziert war. Mittlerweile waren zwei Wochen vergangen, und niemand hatte sie gesehen. Zusammen mit dem Polizisten Dykes fuhr Tripp noch einmal zu Matt und befragte ihn; dieses Mal brachten sie auch Dennis Daniels von der Kriminalpolizei des Bundesstaates mit. Außerdem hatten sie Leichenspürhunde dabei.
Matt Rogers blieb bei seiner Geschichte. Als Tripp und Daniels fragten, ob sie das Anwesen durchsuchen dürften, stimmte er zu. Während die Hundeführer mit ihren Leichenspürhunden auf dem mehrere Hektar großen Gelände ausschwärmten, setzte Matt sich im Hinterhof auf einen Stein und sah bei der Suche zu.
Agent Daniels fühlte sich von der Unterseite des Hauses angezogen. Das Gebäude stand fast einen Meter über dem Boden auf Pfählen, die es an den Ecken und mehreren weiteren Stellen stützten, aber es gab kein geschlossenes Fundament und keinen Kriechkeller. Daniels holte eine Taschenlampe aus seinem Auto und leuchtete damit in die Dunkelheit unter dem Boden des Hauses.
Währenddessen stieß Tripp auf dem Hof neben dem Haus auf eine Mülltonne und das Fass. Beide trugen frische Spuren von Feuer. Tripp, der selbst immer auf dem Land gelebt hatte, wusste ganz genau, wie man sich hier unerwünschter Dinge entledigte: Sie wurden vergraben oder verbrannt. Tripp warf einen Blick in das Fass und rief dann Daniels zu: »Ihr könnt die Leichenhunde zurückrufen. Ich glaube, ich habe unser Mädchen gefunden.« Daraufhin erzählte Matt die Geschichte von den Hunden und der Ziege, und dann rief Daniels mich an und fragte, ob ich mit einer Einsatzgruppe in den Kreis Union kommen könne.
Mir war sofort klar, warum die Polizeibeamten an Matts Geschichte über die Ziegenknochen gezweifelt hatten, und ich selbst glaubte sie erst recht nicht: Nachdem ich 40 Jahre lang menschliche Skelette untersucht habe, erkenne ich einen Oberschenkelknochen auch dann, wenn er aus einem Brandfass ragt. Dieser Knochen war stark verbrannt - an der brüchigen Oberfläche und der weißgrauen Farbe konnte ich ablesen, dass er lange in einem sehr heißen Feuer gelegen hatte -, aber er stammte unverkennbar von einem Menschen.
Das Fass war nicht die einzige Stelle, wo es heftig gebrannt hatte. Einen guten Meter weiter lag eine Matratze, oder jedenfalls war es früher einmal eine Matratze gewesen. Jetzt sah man nur noch ein Trümmerfeld mit verbogenen, geschwärzten Sprungfedern, vermischt mit verkohlten Blechdosen, Batterien, zerbrochenem Geschirr und anderen Haushaltsabfällen. Als ich mich bückte und mir die Sache näher ansehen wollte, erkannte ich zwischen dem Unrat kleine Brocken, die wie verbrannte Knochenstücke aussahen. Jetzt hatten wir genug Arbeit vor uns. Es war bereits später Nachmittag; uns blieben noch drei Stunden mit Tageslicht, um an einer großen, komplizierten Örtlichkeit die verstreuten Knochenstücke auszugraben und zu bergen.
Joanne und Lauren holten unsere Gerätschaften aus dem Lastwagen: Schaufeln und Maurerkellen zum Graben; Drahtnetze zum Durchsieben von Trümmern; Kameras, Greifzirkel und Asservatenbeutel. Der Unrat verteilte sich über eine recht große Fläche von über drei Metern Länge und eineinhalb bis zwei Metern Breite. Um genau festzuhalten, wo wir was gefunden hatten, unterteilte ich das Gebiet mit Markierungsband in zwölf gleich große Rechtecke.
In diesem Gitternetz arbeitete sich Joanne von der einen und Lauren von der anderen Seite aus vor. Ich trug mittlerweile den Inhalt des Fasses ab, vergewisserte mich zwischendurch aber immer wieder, ob die Frauen vorankamen. Als sie den Bereich entlang der Matratze untersuchten, zeigte sich sehr schnell, dass die Leiche ursprünglich auf dieser weichen Unterlage verbrannt war, denn dort lagen die Bruchstücke ungefähr in ihrer anatomischen Anordnung. Unvollständig verbrannte Teile waren dann in das Fass gesteckt und dort noch
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