Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt
Verabschiedung nicht weiterzuverfolgen. Wir waren mit der geringstmöglichen Mehrheit einer Katastrophe entgangen.
Wenig später nahm ich zufällig an einer Konferenz teil, auf der auch der Gouverneur von Tennessee anwesend war. Er nahm mich beiseite, beugte sich ganz dicht an mein Ohr und flüsterte: »Anscheinend hat mein Beauftragter für die Angelegenheiten der Veteranen nicht genug zu tun.« Das nahm ich als Zeichen, dass die Aufregung um die Body Farm vorüber war - zumindest fürs Erste und, so hoffte ich, für immer.
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Grillparty im Garten
S ommerliche Grillpartys sind in Tennessee sehr beliebt. Ich war schon auf Hunderten von solchen Veranstaltungen. Aber einmal war es etwas ganz Besonderes.
Am 21. Juli 1997 erhielt ich einen Anruf von Dennis Daniels, einem Beamten der Kriminalpolizei von Tennessee. Er befand sich im Kreis Union, einer ländlichen Gegend rund 70 Kilometer nördlich von Knoxville, und bat mich, mir dort ein paar Knochen anzusehen - er habe den Verdacht, dass sie von einem Menschen stammten. Daniels war mit David Tripp und Larry Dykes, zwei Ermittlern der Kreispolizei von Union, im Haus eines 21-jährigen Mannes namens Matt Rogers.
Ich schnappte mir Joanne Bennett und Lauren Rockhold, zwei Studentinnen, die zu unseren forensischen Einsatzteams gehörten, und fuhr mit ihnen in den Kreis Union. Wir hatten im Jahr 1997 bisher 22 forensische Fälle bearbeitet, dies würde also der Fall Nummer 97-23 werden. Vor dem Kreisgericht in Maynardville nahm uns ein Polizist in Empfang, und dann fuhren wir hinter ihm her aufs Land. Es war wahrhaft ländlich. Die Straße schlängelte sich durch Wälder, vorbei an ärmlichen Farmen, heruntergekommenen Häusern und verrosteten Wohnwagen; irgendwo in der Umgebung lag ein armseliger Weiler namens Jim Town.
Das Haus von Matt Rogers war ein kleines Holzbauwerk; es war angestrichen - oder vielmehr war es das vor langer Zeit einmal gewesen, aber jetzt war die Farbe zum größten Teil abgeblättert, und das Wetter hatte den ungeschützten Brettern eine silbergraue Färbung verliehen. Die Polizisten führten mich seitlich am Haus vorbei hinter einen Geräteschuppen. Schon bevor sie mich darauf hinwiesen, wusste ich genau, was sie mir zeigen wollten: ein rostiges 200-Liter-Ölfass, dessen Seitenwände von großen Einschusslöchern durchsiebt waren. Es war das, was man auf dem Land als »Brandfass« bezeichnet; setzt man einen Rauchabzug darauf und bringt es in die Stadt, wird es zum »Verbrennungsofen« befördert. Mein Blick war sofort vom Ende eines großen Knochens gefesselt, das oben aus dem Fass ragte.
»Matt behauptet, es seien Tierknochen«, erzählte Agent Daniels. »Eine tote Ziege, die seine Hunde angeblich im Garten gerissen haben.« Mir war sofort klar, dass der Kripobeamte Matts Geschichte nicht glaubte.
Daniels hatte allen Grund, misstrauisch zu sein. Elf Tage zuvor war Patty, Matts 27-jährige Ehefrau und Mutter mehrerer Töchter, als vermisst gemeldet worden. Zusätzlich angeheizt wurde der Verdacht durch die Tatsache, dass nicht Matt das Verschwinden seiner Frau angezeigt hatte, sondern Angie, Pattys beste Freundin. Die beiden Frauen hatten sich am 7. Juli bei einer Grillparty gesehen, und dabei hatte Patty ihrer Freundin erzählt, sie wolle Matt am nächsten Tag verlassen. Angie war auch nicht die Einzige, der Patty von ihren Absichten erzählt hatte, und von diesem Moment an verdichtete sich die Handlung wie in einer Seifenoper. Anscheinend hatte Patty ein Verhältnis mit Michael, Angies Bruder. Am Abend der Grillparty hatten Patty und Michael den Ehemann davon in Kenntnis gesetzt und ihm erklärt, sie wollten für immer zusammenbleiben. Als Patty und Matt die Party verließen, waren sie in einen heftigen Streit verwickelt.
Zwei Tage lang hörte Angie nichts von Patty, was ihr angesichts ihres engen Verhältnisses und der vorangegangenen Vorfälle große Sorgen bereitete. Dann rief Matt an, und jetzt bekam Angie richtig Angst: Er fragte, ob sie Patty gesehen habe. Nach seiner Darstellung war sie in der Nacht nach der Grillparty um zwei Uhr morgens aus dem Haus gestürmt, und seither hatte sie sich nicht mehr blicken lassen.
Am nächsten Tag ging Angie zur Polizei und meldete Patty als vermisst. Sie wollte Matt überreden, die Anzeige aufzugeben, aber der weigerte sich; außerdem sagte er, sie solle ihn informieren, wenn sie zur Polizei ging, damit er das Haus aufräumen könne, bevor jemand kam und Fragen stellte. Aber Angie sagte Matt
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