Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt
fanden wir etwa zwei Meter entfernt unter einem anderen Backsteinhaufen die Armknochen, ein paar Rippen und den Schädel einschließlich des Unterkiefers. Die Knochen waren wie die an dem ersten Fundort seltsam angeordnet und stark zerstückelt, offensichtlich eine Folge des Brandes.
Aber warum waren sie zwei Meter von den unteren zwei Dritteln der Leiche entfernt? Als ich im Geist verschiedene Möglichkeiten durchging, zog ich auch die Tatsache in Betracht, dass das Haus zwei Stockwerke hatte. In ähnlichen Fällen hatte ich es schon erlebt, dass ein Teil einer verbrannten Leiche durch ein Loch im Fußboden gefallen war, während der Rest an einer ganz anderen Stelle und auf einem anderen Trümmerhaufen zu liegen kam. Konnte etwas Ähnliches auch in diesem Fall geschehen sein?
Ich sah mir noch einmal Beine und Becken an. Außer dem Stoff von Hose und Unterhose lag fast nichts unter den Knochen außer ein wenig nicht verbranntem Gipskarton, unversehrten Bodenfliesen und dem Betonfundament des Hauses. Auch unter Kopf, Armen und Rippen befand sich fast nichts. Wäre ein Teil des Körpers verbrannt und dann durch ein Loch im Fußboden des oberen Stockwerks gefallen, während der Rest im Schlafzimmer blieb, bis der ganze Fußboden herabstürzte, hätten wir unter einer von unseren Knochenansammlungen verbrannte Trümmer finden müssen: verkohlte Reste hölzerner Tragbalken, Unterbodenmaterial und Bodenbelag, vielleicht sogar geschwärzte Bettfedern und eine Matratze, wenn der Mann geschlafen hatte, als das Feuer um zwei Uhr morgens ausbrach. Da aber so wenig anderes Material unter den Knochen lag, musste man annehmen, dass der gesamte Körper sich bereits im Erdgeschoss befand, als die Zwischendecke verbrannte und auf das Fundament stürzte.
Angenommen, das stimmte: Warum um alles in der Welt war dann der obere Teil der Leiche so weit vom unteren entfernt? Ich habe oft erlebt, dass ein Schädel in der starken Hitze des Feuers geplatzt war und verstreut wurde, aber ich hatte noch nie gesehen, dass der Kopf und der obere Teil des Rumpfes durch das Zimmer geflogen waren.
Während ich mir darüber den Kopf zerbrach und den Blick von einem Knochenhaufen zum anderen wandern ließ, sagte ich - wobei ich eigentlich nur laut dachte: »Ich kann mir nur einen Grund für diese Trennung vorstellen - eine Art Explosion.«
Ich hatte die Worte kaum ausgesprochen, da meldete sich Lieutenant Wilmot zu Wort. »Interessant, dass Sie so etwas vermuten. Ein Nachbar hat ausgesagt, er habe vor dem Ausbruch des Brandes einen Knall gehört.« Er hätte mir einiges an Rätselei ersparen können, wenn er mir diese Kleinigkeit aus den Ermittlungen ein wenig früher mitgeteilt hätte; andererseits hätte er mir damit das intellektuelle Vergnügen geraubt, eine exotische Theorie zu formulieren. Ich untersuchte die Knochen noch einmal. Die Oberfläche des Brustbeins war vielfach gebrochen und voller Löcher; die Wirbelsäule war knapp unter dem Schädel durchtrennt, genau an der Stelle, wo eine heftige Explosion den Brustkorb auseinander reißen musste.
Die zerstückelte Leiche war nicht das einzige Indiz für Gewalteinwirkung. Weiter unten an der Wirbelsäule, im Bereich der Brustwirbel und Rippen, fanden wir eine längliche Scheibe aus Blei. Sie war etwa zweieinhalb Zentimeter lang, knappe zwei Zentimeter breit und flach. Auf der Unterseite waren Abdrücke von Stoff zu erkennen. Man brauchte kein genialer Gerichtsmediziner zu sein, um daraus den Schluss zu ziehen, dass vor dem Brand und vor der Explosion ein Gewehrschuss abgegeben wurde. Jemand hatte aus einer Entfernung von höchstens einem Meter auf das Herz des Menschen gezielt.
Immer noch blieben einige Fragen offen, aber eines war klar: Wenn das Opfer nicht sein eigenes Haus sorgfältig mit Benzin präpariert hatte, sich eine Dynamitladung um die Brust gebunden und die Zündschnur angesteckt hatte, um sich dann mit einem Gewehr selbst ins Herz zu schießen, hatten wir es hier eindeutig mit einem Mord zu tun, und der Täter hatte sich große Mühe gegeben, alle Hinweise auf das Verbrechen zu zerstören. Große Mühe, und dennoch ohne Erfolg.
In eingespielter Teamarbeit - David Hunt und ich gruben das Material aus, Pat Willey protokollierte unsere Befunde und verstaute die Knochen in Beuteln, und Steve Symes machte ein Foto nach dem anderen - holten wir Knochen und Zähne aus der Asche. Als das Licht des kalten Winternachmittags düsterer wurde, luden wir alles ein und machten uns auf die
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