Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt
man ihre Position vor dem Brand ablesen kann. Ein Schreibtisch mag verbrennen, aber Büro- und Heftklammern zeigen, wo er gestanden hat. Nadeln und Scheren haben früher wahrscheinlich in einem Nähkorb gelegen.
Das Wertvollste, was ich einmal am Schauplatz eines Brandes fand, war ein Diamantencollier im Wert von 12 000 Dollar. Es war das Weihnachtsgeschenk eines Mannes an seine Ehefrau; wenige Monate nachdem sie es ausgepackt hatte, war sie bei einem verdächtigen Brand in ihrem Landhaus ums Leben gekommen. Als ich das Collier am Fuß einer Mauer unter einer Ascheschicht entdeckte, war eine Sicherheitsnadel daran befestigt. Das gab mir ebenso ein Rätsel auf wie der Ort, wo ich es gefunden hatte, und deshalb erkundigte ich mich bei den Angehörigen, ob sie mir in der Frage weiterhelfen konnten. Auf diese Weise erfuhr ich, die Tote habe ihren Schmuck gern an den Gardinen festgesteckt; bei geschlossenen Vorhängen konnte man die Schmuckstücke sehen, bei geöffneten Vorhängen waren sie versteckt. Stimmt, ich hatte das Collier ja unmittelbar unter einem Fenster gefunden. Die Erklärung passte zu dem, was wir am Tatort festgestellt hatten.
Manchmal kann man aus dem, was man an einem Brandschauplatz nicht findet, ebenso viele Schlüsse ziehen wie aus den Funden. Einmal durchsuchte ich ein abgebranntes Haus, das bereits von der Polizei und einem Brandermittler untersucht worden war. Niemandem war etwas Verdächtiges aufgefallen. Als ich die eingeäscherte Leiche barg, bemerkte ich etwas Seltsames: Es gab in der Küche weder Geschirr noch Besteck, keine Kleiderbügel in den Schränken, keine Bilderrahmen oder Haken an den Wänden. (Bilder selbst verbrennen ebenso wie hölzerne Rahmen, aber Metallrahmen und auch die kleinen Schrauben, Nägel und Drähte auf der Rückseite von Holzrahmen bleiben erhalten und fallen am Fuß der Mauer auf den Boden.) Für mich war klar, dass man dieses Haus vor dem Brand mit Ausnahme weniger großer Gegenstände ausgeräumt hatte - ein klassisches Indiz für Brandstiftung. Aber das Seltsamste an der Geschichte, wie wir sie rekonstruierten, war etwas anderes: Bei dem Toten handelte es sich nicht um den Hausbesitzer, sondern um den Mann, der in seinem Auftrag das Feuer legen sollte; als er das Gebäude mit Benzin präparierte - wie wir erfuhren, geschah es während eines schweren Gewitters -, hatte offensichtlich der Blitz eingeschlagen und wegen der Benzindämpfe eine heftige Explosion ausgelöst, durch die der Brandstifter fast augenblicklich ums Leben gekommen war. Es war einer der krassesten Fälle von schlechter Zeitplanung, die mir je begegnet sind. Die Indizien wiesen darauf hin, dass tatsächlich ein Verbrechen vorlag, aber es handelte sich nicht um Mord, sondern um Brandstiftung und Versicherungsbetrug.
Wenn ich zum Schauplatz eines Brandes gerufen werde, versuche ich immer, möglichst alle Skelettteile zu finden, aber dabei lasse ich es nicht bewenden; ich bemühe mich auch, Schlüsse über die Ereignisse vor und bei dem Brand zu ziehen. Besondere Aufmerksamkeit widme ich dabei der Identifizierung von Schmuck, Zähnen und Knochen, aber ich suche auch mehrfach nach anderen Indizien und mache mir erst dann ein Bild von dem Ablauf.
Der Faktor, der bei Bränden die meisten forensischen Indizien zerstört, ist nicht das Feuer selbst, sondern ein ungeübter, übereifriger Ermittler mit einem Rechen. Wer nichts von menschlichen Knochen versteht und nicht weiß, wie man ihre verbrannten Reste erkennt und identifiziert, kann am Schauplatz eines Brandes verheerende Schäden anrichten. Es ist zum Verrücktwerden, aber Polizisten tun nur allzu oft immer das Gleiche, wenn sie nach einer Leiche suchen: Sie durchkämmen den ganzen Schauplatz und harken alles zu Wällen zusammen, die dann in rund einem Meter Abstand liegen. Überlegen wir einmal: Wie will man Lage und Haltung eines Körpers zu Beginn des Feuers ermitteln, und wie will man herausfinden, in welcher Position er sich im Verhältnis zu einem Gewehr, einem Messer oder einer Pistolenkugel befand, wenn man alles mit einem Rechen durcheinander gewirbelt hat?
Einmal kam ich mit meinem Team zu einem Brandschauplatz, um nach der Leiche eines mutmaßlichen Selbstmörders zu suchen, und dann erklärte mir der Brandmeister, ich könne mir die Mühe sparen. Es war ein großer Brand gewesen - ein Farmhaus mit einem Stall und einem halben Dutzend weiterer Gebäude; die Feuerwehr und der Brandermittler hatten die Trümmer teilweise mit einem
Weitere Kostenlose Bücher