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Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt

Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt

Titel: Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bass Jon Jefferson
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überein, die ich an der Cahaba Lane von dem verwesten Leichnam abgetrennt hatte.
     
    Am Morgen des 27. Oktober klingelte wieder das Telefon. Die Polizei hatte in dem Wald ein viertes Opfer gefunden. Ich schnappte mir Bill Grant und Lee Meadows, die mich auch am Tag zuvor begleitet hatten, sowie Emily Craig, die Doktorandin, die mir den Unterschied zwischen den Knien von Weißen und Negroiden beigebracht hatte. Gemeinsam fuhren wir wieder den mittlerweile vertrauten Weg zum Tatort.
    Die vierte Leiche lag ungefähr 400 Meter rechts von der Werbetafel am Ufer des kleinen Wasserlaufes, der hier aus dem Wald hervorkam. Das breite Bachbett war den größten Teil des Jahres ausgetrocknet; jetzt floss hier aber ein Rinnsal von wenigen Zentimetern Tiefe.
    Die Leiche war bereits weit gehend skelettiert; nur an den Beinen, am Gesäß sowie am rechten Arm und der Hand befand sich noch ein wenig Gewebe. Der nackte Schädel lag mit dem Gesicht nach oben im Eichenlaub und starrte uns mit blicklosen, vorwurfsvollen Augenhöhlen an. Die vollkommen freigelegten Wirbel waren nur von Blättern und Zweigen bedeckt. Der rechte Arm und die Hand fehlten - vermutlich hatte ein Hund sie abgebissen. Die linke Hand jedoch lag unter Schlamm und Wasser im Bachbett. Als ich um sie herum vorsichtig mit einer Maurerkelle grub, stellte ich zu meiner angenehmen Überraschung fest, dass das weiche Gewebe der Hand unversehrt war.
    Wir verstauten die Überreste in einem Beutel und brachten sie ins Universitätsklinikum. Unsere erste Station war die Ladeplattform der Warenannahme des Krankenhauses; dort suchten wir mit einem tragbaren Röntgengerät nach Kugeln, einer Messerklinge und anderen Fremdkörpern, aus denen wir vielleicht Aufschlüsse gewinnen konnten. Aber von einigen Zahnfüllungen abgesehen, gab es am Skelett unseres Opfers Nummer 92-28 keine Metallgegenstände. Als Nächstes brachten wir die Leiche zur Body Farm; dort legten wir den Sack auf die Erde, öffneten ihn und begannen mit der Reinigung der Überreste.
    Art Bohanan war von der Cahaba Lane hinter uns hergefahren. Ich wusste genau, was er vorhatte, aber dieses Mal würde er nicht viel Arbeitsmaterial vorfinden. Wir hatten nur eine Hand, und auch von der war nicht mehr viel übrig. Der Daumen fehlte ganz, ebenso die Hälfte von Zeige- und Mittelfinger. Praktisch als Einziges waren der Ringfinger, der kleine Finger und Teile der Handfläche übrig. Aber wenn jemand aus Bruchstücken einer verwesten Hand noch einen erkennbaren Fingerabdruck gewinnen konnte, dann Art.
    Da es sich bei den Überresten praktisch nur noch um Skelettteile handelte, brauchte ich weniger Zeit als sonst, um die Knochen für die forensische Untersuchung zu reinigen. Schon am Tatort konnte ich erkennen, dass wir eine Frau vor uns hatten. Das Becken war weiblich wie aus dem Lehrbuch: breite Hüften, hoch liegende Kreuzdarmbeingelenke, eine breite Kerbe am Sitzbein und ein größerer Winkel der Schambeinbögen - alles Bestandteile jener geometrischen Verhältnisse, die es einem Kinderkopf gestatten, bei der Entbindung den Geburtskanal zu passieren. Der Schädel zeigte ebenfalls klassisch weibliche Merkmale. Die Augenhöhlen hatten scharfe Oberkanten, das Kinn verjüngte sich in der Mitte zu einer Spitze, das Schädelgewölbe war glatt und ohne Ansatzstellen für kräftige Muskeln.
    Auch die Rasse war leicht dingfest zu machen. Auf dem Boden neben der Leiche hatten wir die Haare so gefunden, wie sie sich gelöst hatten: Sie waren hellbraun und leicht gewellt. Diese Haare und die Form des Mundes - mit Zähnen, die senkrecht angeordnet waren und nicht nach vorn vorsprangen - kennzeichneten die Frau eindeutig als Weiße.
    Um das Alter abzuschätzen, sahen wir uns mehrere Knochenteile an: Oberkiefer, Schlüsselbeine und Becken. Wie bei 92-27, so waren die Beckenknochen auch bei 92-28 dicht, glatt und ohne ausgeprägte Körnung. Mit anderen Worten: Es handelte sich um eine ausgewachsene, aber noch junge Frau, vermutlich im Alter von Mitte 20 bis Mitte 30. Auch die Schlüsselbeine waren ausgereift: Ihre zum Brustbein weisenden Enden waren völlig mit dem Schaft verschmolzen, das heißt, sie war mindestens 25. Die Schädelnähte schließlich, einschließlich der Sutura intermaxillaris zwischen den Hälften des harten Gaumens, waren nicht völlig geschlossen. Die Gaumennaht verwächst in der Regel erst zwischen dem 35. und 40. Lebensjahr, älter als 35 war die Frau also vermutlich nicht. Demnach konnte ich mit Sicherheit

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