Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt
prahlte er, und nicht Thomas habe die Morde begangen. Dann mischte sich eine dritte Stimme ein. Kultiviert und mit britischem Akzent stellte sie sich als »Phillip Daxx« vor, Engländer, geboren in Südafrika. Er erklärte, er habe in der Dreiheit der Persönlichkeiten die Aufgabe, Tom vor dem bösen Kyle zu schützen. In einem gewissen Sinn erschien die Beweislage gegen Huskey eindeutig, aber die bizarren Aussagen der verschiedenen Stimmen machten das Bild erheblich komplizierter. Außerdem arbeitete noch ein weiterer wirksamer Faktor in Huskeys Sinn: der hartleibigste Strafverteidiger, der mir jemals begegnet ist. Herb Moncier war in ganz Tennessee berüchtigt für seine aggressive Taktik, für seinen eisernen Willen, mit Zähnen und Klauen für seine Mandanten zu kämpfen.
Moncier verlor keine Zeit und ging sofort in die Offensive. Er stellte Antrag auf Antrag und versuchte so zu erreichen, dass Huskeys Geständnis nicht verwertet wurde. Dann versuchte er, einen anderen Verhandlungsort durchzusetzen: Er behauptete, wegen der Berichterstattung in Zeitungen und Fernsehen sei ein faires Verfahren für Huskey in Knoxville nicht gewährleistet; er versuchte, Huskey für unzurechnungsfähig und verhandlungsunfähig erklären zu lassen; er verlangte den Rücktritt des zuständigen Richters; und er forderte mehr Zeit für weitere psychiatrische Gutachten sowie mehr Geld für die Verteidigung.
Im Sperrfeuer solcher Schachzüge kam der Mordprozess zum Stillstand. Aber ich war viel zu beschäftigt, um darauf zu achten oder mich darum zu kümmern, ob eine Jury den Zoomann Huskey zu Leben oder Tod verurteilte. Mich nahm ein weitaus dringenderer Kampf um Leben und Tod in Anspruch.
Seit Jahrzehnten hatte ich mich beruflich mit dem Sterben beschäftigt. Es war, als hätte ich mir jedes Mal, wenn ich fröhlich in das Reich des Todes schritt, einen liebenswürdigen Mantel der Immunität umgehängt. Der Sensenmann und ich, wir hatten ein Abkommen: Ich folgte ihm auf dem Fuße, und er ließ mich in Ruhe. Es war eine enge, aber ausschließlich berufliche Beziehung. Dann griff sie eines Tages ins Privatleben ein, und leider war er dabei nicht hinter mir her. Er streckte die Hand nach dem Menschen aus, der seit 40 Jahren an meiner Seite durchs Leben gegangen war.
Im Herbst 1951 verdüsterte der Koreakrieg mit den blutigen Schlachten von Bloody Bridge und Heartbreak Bridge die Stimmung der meisten jungen Amerikaner, auch meine eigene. Ich hatte gerade die University of Virginia verlassen und wartete auf meinen Einberufungsbescheid zur Armee. Am 15. November meldete ich mich entsprechend der Anordnung bei der Aufnahmestelle der Streitkräfte in Martinsburg in West Virginia. Ich war einer vor rund 200 Wehrpflichtigen, die an diesem Tag eingezogen wurden. Der zuständige Feldwebel rief die ersten 15 Namen auf seiner Liste auf - sie war alphabetisch sortiert, und ich war Nummer drei - und wies uns den Marines zu. Mir rutschte das Herz in die Hose. Die Marines entrichteten in Korea den höchsten Blutzoll, und ich glaubte, ich müsse mit meinem Leben abschließen.
Dann mischte sich ein Leutnant ein. Er hatte in den Aufnahmepapieren gelesen, dass ich von der University of Virginia kam und Naturwissenschaften sowie Mathematik unterrichtet hatte. Daraus schloss er wohl, ich müsse einigermaßen intelligent sein (oder vielleicht erkannte er in mir auch nicht einen der »wenigen guten Männer«, die bei den Marines gebraucht wurden), und erklärte dem Feldwebel, er solle mich der U.S. Army zuweisen, und zwar in der Kategorie »Wissenschaft und berufliche Qualifikation«. Der Feldwebel erhob Einwände, aber der Leutnant bestand darauf. Als der Feldwebel - vor einem ganzen Saal voller Wehrpflichtiger - weiter diskutieren wollte, sagte der Leutnant schließlich: »Sergeant, das ist ein Befehl.«
Ich war gerettet. Man schickte mich nicht auf die koreanische Halbinsel, sondern ins Army Medical Research Lab oder kurz AMRL, das medizinische Forschungsinstitut der Armee in Fort Knox in Kentucky. Dort sollte ich an der Untersuchung von Geräuschen und Vibrationen von Lastwagen, Panzern und Artillerie mitarbeiten, von denen die Soldaten beim Einsatz solcher Geräte beeinträchtigt wurden. Den Rest des Krieges überstand ich in einem Umfeld mit Dutzenden von Ärzten, Wissenschaftlern, gut aussehenden Krankenschwestern und ohrenbetäubend lauten, starken Maschinen. Es war ein schönes Leben. Aber dann wurde es noch besser: Ich lernte Lieutenant Owen
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