Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt
zuschlug, versank ich in einem Ozean der Trauer.
Der Fall des Zoomannes zog sich während Anns Krankheit und darüber hinaus endlos hin. Ein Mordprozess war noch weit und breit nicht in Sicht. Mittlerweile hatten weitere Frauen ausgesagt, Huskey habe sie überfallen. Ende 1995 und Anfang 1996 stand er wegen mehrerer brutaler Vergewaltigungen vor Gericht, die er 1991 und 1992 begangen hatte.
Moncier verlor den Prozess - es war eine der wenigen hochkarätigen Niederlagen, an die ich mich bei ihm erinnern kann. Huskey wurde in mehreren Fällen der Vergewaltigung, des Raubes und der Entführung für schuldig befunden und erhielt für drei Vergewaltigungen und einen Raubüberfall eine Gefängnisstrafe von 66 Jahren. Der Mordprozess jedoch war durch Monciers ständige Anträge und Schachzüge weiterhin blockiert. Erst im Januar 1999, mehr als sechs Jahre nachdem die vier Frauen im Wald an der Cahaba Lane ums Leben gekommen waren, begann die Auswahl der Geschworenen für den Mordprozess gegen Huskey. Moncier hatte nicht durchsetzen können, dass das Verfahren an einen anderen Ort verlegt wurde; er konnte aber erreichen, dass Jurymitglieder von außerhalb eingesetzt wurden, die vielleicht weniger durch die umfangreiche Berichterstattung der Presse von Knoxville beeinflusst waren.
Anfangs wurden 340 potenzielle Geschworene benannt, dann wurde die Zahl auf 60 eingegrenzt. Einige Kandidaten taten alles, um von ihrer Pflicht als Geschworene entbunden zu werden, andere waren ebenso eifrig darauf aus, das Amt anzutreten. Der Staatsanwalt hatte erkennen lassen, dass er auf Todesstrafe plädieren würde, und deshalb wurden Geschworene, die erklärte Gegner der Todesstrafe waren, nicht zugelassen. Nachdem Anklage und Verteidigung mehrere Wochen lang die Kandidaten befragt hatten, mussten zwölf Geschworene und vier Stellvertreter die Koffer packen. Sie wurden mit dem Bus nach Knoxville gebracht; in den folgenden zwei Wochen würden sie ihre Tage im Gerichtssaal und die Nächte in einem nicht näher bezeichneten Hotel verbringen.
Am 26. Januar 1999 kam der Prozess gegen den Zoomann endlich in Gang. Dreh- und Angelpunkt der Anklage war Huskeys eigenes Geständnis, bei dem er die Morde in allen Einzelheiten beschrieben hatte. Aus seiner Aussage ging zwar hervor, dass Huskey - oder »Kyle«, oder wie er sich auch sonst an jenen Tagen vielleicht genannt hatte - die vier Frauen erdrosselt hatte, das Tonband lieferte aber auch der Verteidigung sehr wirksame Munition. Als die drei Stimmen und Namen aus den Lautsprechern drangen, konnte man ohne weiteres glauben, dass der Zoomann tatsächlich geistesgestört war. Um seine Behauptung der Unzurechnungsfähigkeit zu untermauern, ließ Moncier zahlreiche Zeugen auftreten, darunter einen Psychiater und einen Psychologen - die übereinstimmend bestätigten, Huskey leide an einer krankhaften Persönlichkeitsspaltung - sowie Wärter aus dem Bezirksgefängnis von Knoxville, die ebenfalls bezeugten, sie hätten mit Huskeys Alter Ego »Kyle« gesprochen. Seltsamerweise behauptete Huskeys Mutter jedoch, sie wisse nichts von »Kyle« oder »Daxx«. Tom, so sagte sie, sei immer nur Tom gewesen. Einen anderen habe es in ihm nie gegeben.
Meine Untersuchung der gebrochenen Schulterblätter wurde von der Verteidigung nicht in Frage gestellt. Eine ganz andere Frage jedoch war die nach dem Zungenbein. Die elektronenmikroskopischen Aufnahmen zeigten eindeutig, dass der Knochen beschädigt war, aber Moncier bezweifelte meine Schlussfolgerung, wonach dies auf Tod durch Erdrosseln hindeutete. Dazu rief er einen eigenen Sachverständigen als Zeugen auf; der Pathologe aus Atlanta war zwar Arzt, besaß aber keine entsprechende Qualifikation. Er behauptete, ein Hirsch könne auf das Zungenbein getreten sein und es zerbrochen haben; daraufhin bedrängte Moncier mich mit der Frage, ob so etwas denkbar sei. Nun ja, denkbar ist alles. Vielleicht war auch ein Raumschiff vom Mars darauf gelandet, aber sowohl für die forensische Wissenschaft als auch für den gesunden Menschenverstand gab es nur eine einzige zufrieden stellende Erklärung: dass die Frau erdrosselt worden war.
Die eigentliche Gerichtsverhandlung dauerte zwei Wochen, dann begannen die Beratungen der Geschworenen. Sie zogen sich einen Tag hin, zwei Tage, drei Tage. Schließlich schickte die Jury eine Nachricht: Sie seien übereinstimmend der Ansicht, dass Huskey drei der vier Frauen umgebracht hatte; was den vierten Mord anging, waren elf der zwölf
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