Der Knochenmann
Wie sich dem Ferdl seine Miene auf einmal – also richtiggehend aufgehellt.
Weil die Serie «Porträt der Woche» im Sportteil, das ist immer sein Bubentraum gewesen, daß er einmal da hineinkommt. Und da haben die Leute ruhig reden können wegen den Seniorenfahrten, Betrug hin oder her. Der Ferdl hat sowieso das ganze Geld nur in den Verein hineingesteckt. Mit einem Wort: Tausende Wunderdecken, nur damit er einmal in das «Porträt der Woche» hineinkommt. Und jetzt steht «Porträt der Woche» leibhaftig vor ihm, und er wäre fast unfreundlich gewesen.
«Sie müssen schon entschuldigen. Nicht persönlich gemeint. Aber im Moment geht es im Verein drunter und drüber.»
Der Brenner hat nur genickt.
«Aber wissen Sie was», sagt der Ferdl, «unterhalten wir uns doch im Bus über das Cupspiel. Weil ich muß jetzt noch das ganze Zeug einpacken.»
«Das wird schwer gehen.»
«Ja, geht nicht leicht. Das ganze Zeug in einer halben Stunde. Aber wir müssen um sechs zurück sein. Da sind die Altersheime streng.»
«Daß wir uns im Bus unterhalten. Das wird schwer gehen.»
«Aber wieso denn?»
«Sie sind ja der Fahrer.»
«Ja, freilich bin ich der Fahrer.»
«Da können Sie schwer während der Fahrt zu mir nach hinten kommen.»
Auf einmal ist der Ferdl so ernst geworden, wie er seit dem Moment, wo er den Ortovic-Kopf aus dem Ballsack genommen hat, nicht mehr gewesen ist. Der Brenner hat schon befürchtet, daß er sich verarscht fühlt. Und wenn du heute als Detektiv wen aushorchen willst, dann ist Regel Nummer eins: Du darfst ihm nie das Gefühl geben, daß du ihn verarschst. Du mußt ihn vielleicht verarschen, aber du darfst ihm nicht das Gefühl geben. Das ist ja die Kunst.
Aber keine Rede davon, daß der Ferdl sich verarscht fühlt. Weil er sagt jetzt todernst: «Da werden wir schon eine Lösung finden.»
Und dann eine prächtige Lösung. Die Hostess hat dem Brenner ihren Beifahrersitz abtreten müssen. Die ist sowieso fast die ganze Fahrt hindurch gestanden und hat die Leute schwindlig geredet. Weil die hat schon Stimmung für die nächste Fahrt machen müssen. Aber trotzdem natürlich eifersüchtig auf den Brenner, daß der vorne sitzen darf.
Direkt hinter der Panorama-Windschutzscheibe hat der Brenner einen herrlichen Blick auf die Landschaft gehabt, und da sagt man doch, daß das die Seele frei macht, wenn man so einen herrlichen Blick hat. Und vielleicht ist es daran gelegen, daß es ihm jetzt so leicht von der Zunge gegangen ist.
Er hat sich so flott mit dem Ferdl unterhalten, da hättest du ihm den Sportjournalisten sicher auch abgenommen. Und das, obwohl der Brenner vom Fußball nie viel Ahnung gehabt hat.
«Ihr Tormann, der ist ja der reinste Zauberer.»
«Das kannst du laut sagen.»
«Haben Sie den entdeckt?»
«Der Milo hat ja gar nicht mehr gespielt.»
Der Brenner hat jetzt nicht nachgefragt. Weil seine Erfahrung ist gewesen, du erfährst viel mehr von den Leuten, wenn du nicht nachfragst. Sobald du nachfragst, werden sie vorsichtig. Aber wenn du geduldig wartest und nicht zu interessiert bist, erzählen sie dir alles. Schon mit Gefühl, schon Zuwendung, schon Interesse, schon hier und da ein Stichwort, aber nie nachfragen. Das ist eine goldene Regel, die kannst du dir merken.
Aber ausgerechnet der Ferdl hat jetzt nicht weitergeredet, und jetzt hat er ihn doch noch fragen müssen: «Und wie ist er dann nach Klöch gekommen?»
«Früher hat der Milo in Jugoslawien in der ersten Liga gespielt. Da habe ich ihn immer im Fernsehen gesehen. Weil wir kriegen ja da herunten den Jugo-Sender herein. Verstehen tust du zwar nichts, aber Fußball super. Und da ist mir der Milovanovic oft aufgefallen, das ist ein Spitzentormann gewesen. Weltklasse. Also nicht einmal im Traum daran denken, daß der einmal für uns spielen könnte. Aber dann, das ist vor fünf, sechs Jahren gewesen, da hat ihm der Stürmer von Partisan Belgrad regelrecht den Schädel zertrümmert. Normal zieht ein Stürmer da zurück. Aber der hat voll durchgezogen. Kieferbruch, Nasenbruch, Jochbeinbruch und, und, und, frage nicht. Intensivstation und, und, und. Was glauben Sie, wie der ausgeschaut hat.»
«Koma auch gewesen?»
«Ja freilich, Koma und, und, und. Bis sie den wieder zusammengeflickt haben.»
«Silberplatte auch?»
«Alles Silberplatte. Da kannst du ein Geschäft machen, wenn du den Milo kaufst.»
«Um wieviel haben Sie den Milo denn gekauft?»
«Ach so meinen Sie. Das ist gut. Ja, hören Sie zu. Nach dem Unfall hat
Weitere Kostenlose Bücher