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Der Knochenmann

Der Knochenmann

Titel: Der Knochenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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daß ich ganz ding gewesen bin. In Gedanken.»
    «Sie dürfen das nicht falsch verstehen. Aber wenn ich Ihre Schwiegertochter finden soll, dann muß ich so viel wie möglich über sie wissen. Und natürlich auch über ihren Mann.»
    «Jaja, das verstehe ich schon.»
    «Ich bin heute unten am Fußballplatz gewesen. Training.»
    «Ja, ist schon recht, die Buben, wenn sie trainieren.»
    «Da bin ich mit dem Trainer ein bißchen ins Gespräch gekommen», hat der Brenner gelogen. «Er hat mir erzählt, daß Ihr Sohn in eine Bestechungsgeschichte verwickelt gewesen ist.»
    «So ein Blödsinn.»
    «Ist es nicht wahr?»
    Jetzt stell dir vor, mit seiner Zunge hat der Brenner gespürt, daß sich kleine Hautfetzen von seinem Gaumen abgelöst haben, so heiß ist das Frankfurter gewesen.
    «Doch, stimmen tut es leider, daß mein Sohn diesen Blödsinn gemacht hat.»
    «Und seither ist er nicht mehr daheim?»
    «Neinnein. Der ist schon viel länger nicht mehr da. Vor vier Jahren geheiratet. Und seither ist er nicht mehr da.»
    «Aber seine Frau hat doch hier den Betrieb geführt?»
    «Jaja. Seine Frau ist geblieben. Aber er immer unterwegs. Heiratet eine tüchtige Frau. Weil das ist eine Brave, die hat immer gearbeitet. Und er macht sich aus dem Staub.»
    «Was hat Ihr Sohn denn die ganze Zeit gemacht?»
    «Das müssen Sie schon ihn fragen. Nichts richtig. Kommt nur heim, wenn er Geld braucht. Oder jetzt. Sorgt er sich natürlich um seine Frau. Sonst kümmert er sich das ganze Jahr nicht, aber wenn sie verschwindet, das ist ihm zuviel. Müßte er ja selber einmal was arbeiten. Statt mit dem Porsche herumfahren.»
    Dann ist der Löschenkohl wieder so still geworden, dem Brenner ist das jetzt schon öfter aufgefallen, wie der alte Mann von einer Sekunde auf die andere versinken kann.
    Ein armer alter Mensch, einsam bis dorthinaus, hat sich der Brenner gedacht, und wieso soll ich ihn da lange mit seinem Sohn quälen. Wenn er mir sowieso nicht die Wahrheit sagt. Daß dir ein Vater über seinen Sohn die Wahrheit erzählt, wirst du ja so oder so nicht leicht erleben. Weil nehmen wir einmal an, er wäre dazu bereit: Wo willst du heute einen Vater hernehmen, der überhaupt etwas über seinen Sohn weiß, siehst du, da fängt es schon an.
    Wie der Brenner seine Würstel aufgegessen hat, steht er einfach auf und läßt den alten schweigenden Mann sitzen. Aber ausgerechnet in dem Moment, oder ist es auch gewesen, weil er durch das leichte Rucken am Tisch wieder aufgewacht ist, sagt der alte Löschenkohl: «Der Ferdl.»
    «Was für ein Ferdl?»
    «Vom Fußballverein, der Trainer. Sie haben doch gesagt, daß er es Ihnen erzählt hat.»
    «Ja, der Trainer. Ferdl heißt der?»
    «Der ist von Beruf Bus-Chauffeur. Da machen sie immer so Busfahrten nach Jugo hinunter. Pensionistenfahrten, gratis. Da müssen sie nichts für die Fahrt zahlen, die Pensionisten.»
    «Und dafür verkaufen sie ihnen ein Wunderpolster um 20 000 Schilling», hat der Brenner gesagt, weil seine Tante Emmi in Puntigam ist einmal bei so einem Ausflug mitgefahren und mit einem Wunderpolster zurückgekommen. Der Emmi ist aber nicht lang um das Geld leid gewesen, weil sie ist ja bald darauf beim Schlangestehen für die Osterbeichte tot umgefallen. 67 Jahre, kein Alter für eine Frau.
    «Bei den Busfahrten ist der Ferdl immer ein Mordsunterhalter», läßt sich der alte Löschenkohl vom Brenner seiner Bemerkung nicht drausbringen. «Witze kann der erzählen, unglaublich. Die alten Weiber sind ganz verliebt in ihn.»
    «Ist gut fürs Geschäft.»
    «Aber auf der Trainerbank», sagt der alte Löschenkohl jetzt ein bißchen leiser, weil das ist einer von den Menschen gewesen, die dir über den Mund fahren können, indem sie ein bißchen leiser werden: «Auf der Trainerbank, und das weiß bei uns herunten jeder, da ist der Ferdl wie verwandelt. Da bringst du nicht ein Wort aus ihm heraus.»
    «Aha.»
    «Wollen Sie, daß ich ehrlich zu Ihnen bin?»
    Und der Brenner: «Wenn Sie wollen, daß ich Ihre Schwiegertochter finde.»
    Und der alte Löschenkohl: «Dann müssen Sie aber auch ehrlich zu mir sein. Weil das mit dem Ortovic-Kopf ist schon in den 7-Uhr-Nachrichten gekommen. Da brauchen Sie mir nicht die Geschichte mit dem Ferdl auftischen. Weil mein Sohn hat den Ortovic vielleicht bestochen. Aber zum Kopfabschneiden hat der nicht das Zeug.»
    Der Brenner ist sowieso schon so blöd zwischen Tisch und Bank eingeklemmt dagestanden, weil ihn der Löschenkohl mitten im Aufstehen angeredet

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