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Der Knochenmann

Der Knochenmann

Titel: Der Knochenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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habe auch erst heute meine ersten beiden Horvath-Blätter gekauft. Da ist der zehnfache Preis nur die gerechte Strafe.»
    «Trotzdem ein guter Kauf», hat ihm der Marko gratuliert. «In den Horvath-Werken steckt noch viel Phantasie. Und Sie sind in der glücklichen Situation, sogar selbst etwas dazu beitragen zu können. Ihre Kollegen vom Gericht legen sich ja immer noch quer, daß wir den offiziellen Totenschein noch vor der großen Ausstellung im nächsten Monat bekommen.»
    «Vielleicht ist er ja gar nicht tot», hat sich der Brenner eingemischt.
    Der Kunstsammler Marko hat ihn überrascht angeschaut: «Ich bete, daß Sie recht haben. Aber ich wette, daß Sie nicht recht haben.»
    «Beten und wetten», hat der Kaspar Krennek den Marko lächelnd imitiert. So schlampig, wie der Sammler das gesprochen hat, haben die beiden Worte fast gleich geklungen.
    «Beten und wetten.»
    Der Kriminalinspektor hat sich vorgestellt, wie der Nachkriegs-Hamlet bei jedem einzelnen Wort im Grab rotiert.
     

8
    Von Graz nach Wien brauchst du mit dem Auto eineinhalb Stunden. Aber mit dem Zug fast drei Stunden. Weil über den Semmering, das ist die berühmte Gebirgsbahn, ist der Erbauer auf dem alten 20-Schilling-Schein oben gewesen: Freiherr Ritter von Ghegha, kannst du dir ruhig merken, tut nicht weh.
    Vor hundert Jahren natürlich technische Gewaltleistung, frage nicht. Aber heutzutage fällt einem vor allem auf, daß der Zug so langsam fährt. Und der Brenner sowieso schon ungeduldig, weil er sich dauernd von der Horvath-Geschichte aufhalten läßt. Er hat endlich wissen wollen, was mit der Freundin von dem geköpften Ortovic los ist.
    In seiner Ungeduld hat er jetzt ein Tempo vorgelegt, daß er sich selber nicht mehr gekannt hat. Zack Telefonwertkarte beim Schaffner kaufen, zack vom Zugtelefon aus bei der Sittenpolizei in Wien anrufen, zack den Abteilungschef Winkler verlangen.
    Und nichts scheißen, daß man ihm einmal die Frau, aber darüber möchte ist jetzt gar nicht reden. Weil das ist jetzt schon fünfzehn Jahre her gewesen, daß der Brenner das getan hat. Und da ist der Winkler praktisch eh schon geschieden gewesen.
    Aber nichts scheißen. Wie sich die Polizei-Telefonistin gemeldet hat, das hätte normalerweise genügt, daß der Brenner sofort den ganzen Mief von der Polizeikaserne in der Nase hat. Weil neunzehn Jahre Polizei, das vergißt du ja nicht über Nacht.
    Neunzehn Jahre lang das Nachkriegsmobiliar, das ist ja alles aus eins a Militärqualität, und da wird nichts kaputt. Höchstens einmal frisch ausmalen, wenn sich ein Verhafteter beim Verhör absichtlich selbst verletzt. Oder sagen wir, er kotzt vor Nervosität höher, als der Ölanstrich hinaufreicht, dann muß man das ausweißein lassen. Und die Telefonanlage ist einmal erneuert worden, und natürlich Computer, aber die alten Schreibmaschinen immer noch. Weil für manche Formulare Schreibmaschine einfach unersetzlich.
    Die Lampen, die Plastikböden, die Pinnwände, die Schreibtische, die Kaffeemaschinen, da genügt normalerweise ein mürrisches «Polizeidirektion II», und du hast sofort den Geruch da. Normalerweise! Aber der Brenner jetzt wie verwandelt. Er ist dreimal weiterverbunden worden, er hat sogar Geräusche aus dem Hintergrund gehört, aber er hat jetzt keinen Mief hereingelassen.
    «Hofrat Winkler.»
    «Gratuliere zur Beförderung.»
    «Was für eine Beförderung? Wer spricht überhaupt?»
    «Brenner. Wie wir uns das letzte Mal gesehen haben, bist du noch Inspektor gewesen. Und ich auch.»
    «Ah, Brenner, jetzt hätte ich dich fast nicht erkannt. Daß man von dir wieder einmal was hört.»
    Der Winkler ist immer ein Gutmütiger gewesen. Seine Frau ist ihm auf der Nase herumspaziert, das war nicht mehr feierlich. Die hat ausgesehen wie diese Schauspielerin in dem französischen Film, wie hat der jetzt schnell geheißen, den sie unlängst im Fernsehen wiederholt haben.
    Der Winkler hat sich aber überhaupt nichts anmerken lassen. Wer weiß, vielleicht hat er es völlig vergessen gehabt. Da sind ja die Männer ganz verschieden. Und der Winkler ist immer ein unkomplizierter Typ gewesen. Es war auch eine Ewigkeit her. Jedenfalls, worauf ich hinaus will: Zwei Minuten später hat der Brenner die Adresse von der Jurasic gehabt. Und kurz nach Mittag ist er schon am Praterstern gestanden.
    Als Kind in Puntigam hat der Brenner immer zum Mittagessen «Autofahrer unterwegs» im Radio gehört. Das ist eine wirklich gute Sendung gewesen, Robert Stolz und Peter

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