Der Knochenmann
vor dem Termin schon den ganzen Tag ein bißchen gefürchtet hat. Weil er ist ja nur in zweiter Linie wegen der Schwester von der Löschenkohl-Wirtin in Graz ausgestiegen. Und Hauptinteresse natürlich: die Horvath-Ausstellung, von der ihm der Palfinger erzählt hat.
Der Brenner ist in seinem Leben erst einmal auf einer Vernissage gewesen. Die Frau vom Salzburger Polizeipräsidenten hat holländische Windmühlen gestickt, und sie hat sich nicht leicht von ihren Werken getrennt, aber wohltätiger Zweck. Weil sonst immer nur die dunkle Vergangenheit von ihrem Mann in der Zeitung, da hat die Polizeipräsidentin ein bißchen mit ihren Windmühlen dagegen angekämpft.
Aber in dem Sinn zu einer richtigen Vernissage mit teueren Kunstwerken ist der Brenner zum ersten Mal gegangen. Es ist aber auf der Horvath-Vernissage gar nicht soviel anders zugegangen als damals im Salon von der Polizeipräsidentin. Weil dort sind die jungen Polizisten dem Polizeipräsidenten derart in den Arsch gekrochen, daß am nächsten Banktag die Vaseline-Aktien explodiert sind. Und hier in der Galerie Haselsteiner hat es auch so ausgesehen, als wären alle nur gekommen, um einen einzigen Mann zu hofieren.
Aber dieser Mann ist das genaue Gegenteil vom Polizeipräsidenten gewesen. Weil der Polizeipräsident natürlich Gardemaß, ein drahtiger Mann mit schlohweißen Haaren, daß man hätte glauben können: frisch aus Argentinien importiert. Und hier in der Galerie Haselsteiner ein unscheinbarer, höchstens vierzigjähriger Mann, der so klein gewesen ist, daß man glauben hätte können, die mageren Künstler haben deshalb alle einen Buckel, weil sie sich dauernd zu ihm hinunterbücken müssen.
Aber darf ich jetzt nicht ungerecht sein, sind natürlich nicht nur Bucklige dagewesen, sondern muß man schon auch sagen: So viele schöne und elegante Menschen wie in der Galerie Haselsteiner hat der Brenner überhaupt noch nie auf einem Fleck gesehen. Und ob du es glaubst oder nicht, der schönste und eleganteste von ihnen ist dem Brenner erst aufgefallen, wie er ihm ein Weinglas vor die Nase gehalten hat:
«Wie finden Sie den Horvath?» fragt der Kaspar Krennek und drückt dem Brenner das Weinglas in die Hand.
«Ich suche ihn ja gar nicht.»
Irgendwie hat diese Antwort den Kaspar Krennek an seinen Vater erinnert, den rechthaberischen Nachkriegs-Hamlet August Krennek. Aber das hat er dem Brenner natürlich nicht gesagt. Weil das ist vielleicht Thema nächsten Dienstag für die Therapie, aber nicht für eine Vernissage. Und er hat jetzt nur gelächelt und gesagt: «Ich habe schon zugeschlagen.»
«Sie haben den Horvath?»
«Gleich zweimal. Da drüben die Bleistiftzeichnung. Und im anderen Raum eine Radierung. Weil heute kann ich noch mithalten. In einem Monat werden die großen Plastiken verkauft, die kosten ein Vermögen.»
«Müssen Sie aber aufpassen. Weil ein Horvath verschwindet leicht», sagt der Brenner und kostet den Wein. Aber im Vergleich zum Wein damals bei der Polizeipräsidentin ist das der reinste Fusel gewesen.
«Für die Bilder ist das kein Nachteil, daß der Horvath verschwunden ist», lacht der Kripo-Chef Kaspar Krennek. «Meine beiden Blätter hätte ich vorher um ein Zehntel bekommen.»
«Da können sich die Sammler freuen, die vorher gekauft haben.»
«Vor allem einer», sagt der Kaspar Krennek. «Der Gummiproduzent Marko hat in den letzten Jahren Horvath-Werke um ein paar Millionen gekauft. Und in einem Monat verkauft er sie.»
«Um das Zehnfache?»
«Wenn sie nicht sogar noch weiter steigen.»
Dem Brenner ist schon aufgefallen, daß der Kaspar Krennek dabei immer wieder zu dem kleinen unscheinbaren Mann hinübergeschaut hat. Aber jetzt muß auch der es bemerkt haben, weil er hat sich von seinen Jüngern abgewendet und ist zum Krennek herübergekommen.
«Darf ich vorstellen», sagt der Kaspar Krennek ziemlich förmlich, weil seine gute Erziehung ist wieder einmal mit ihm durchgegangen: «Nikolaus Marko, der bedeutendste österreichische Kunstsammler. Mein Kollege, Herr Brenner.»
So mies kommt ihm also mein Job als Detektiv vor, daß er mich höflichkeitshalber als Kollegen vorstellt, hat sich der Brenner noch gedacht. Aber dann ist er schnell auf andere Gedanken gekommen. Weil der Marko hat zum Kaspar Krennek gesagt: «Es ist schon tragisch, daß es immer noch so ist, daß ein toter Künstler mehr wert ist als ein lebender.»
«Da muß ich mir selbst auch an die Brust klopfen», hat der Kaspar Krennek gelächelt. «Ich
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