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Der Knochenmann

Der Knochenmann

Titel: Der Knochenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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Alexander und Beiträge und Tips und alles. Und um zwölf Uhr haben sie jeden Tag aus einem anderen Ort in Österreich die Mittagsglocken übertragen. Nur Puntigam ist nie dabeigewesen, angeblich strafweise, weil man dem Pfarrer eine Sexgeschichte nachgesagt hat.
    Und von den Verkehrsmeldungen hat der Brenner den Praterstern schon gekannt, lange bevor er das erste Mal nach Wien gekommen ist. Aber interessant! Obwohl der Brenner immer nur davon gehört hat, wenn es einen Stau oder eine Baustelle oder einen Unfall auf dem sechsspurigen Kreisverkehr mitten in der Hauptstadt gegeben hat, hat er sich damals den Praterstern immer als etwas Schönes vorgestellt, quasi fremder Planet. Und der Jurasic Helene muß es auch so gegangen sein, daß sie ihre Bar am Praterstern ausgerechnet
Milchstraße
genannt hat.
    Wie der Brenner aus dem Schnellbahnhof direkt auf den Praterstern hinausgekommen ist, ist er zuerst einmal zu dem Polizeicontainer hinübergegangen. Weil er hat sich ein bißchen verloren gefühlt mitten am Praterstern, wo soll er da mit dem Suchen nach dem
Milchstraße
anfangen. Jetzt ist er vielleicht aus alter Gewohnheit zuerst einmal zur Polizei hinüber, praktisch Anhaltspunkt. Da haben sie einfach so einen Container hingestellt, das kennst du bestimmt von den Bauarbeiterhütten, wo sich die Maurer um neun Uhr vormittags betrinken. Aber sind keine Maurer drinnen, sondern Polizisten.
    Und wie er beim Polizeicontainer gestanden ist, hat er schon gesehen, daß drüben neben dem Nissanhändler die roten Lichter von einer Bar blinken. Jetzt hat er einmal die vier, fünf, sechs Spuren Richtung Nissanhändler überquert.
    Wie der Brenner beim Nissanhändler angekommen ist, hat er immer noch gelebt, das ist die gute Nachricht. Aber schlechte Nachricht: Die Bar ist nicht das
Milchstraße
von der Jurasic Helene gewesen. Jetzt ist er am Praterstern weitergegangen, vom Nissanhändler über die Heinestraße zum Gasthaus Hansy, über die Praterstraße, dann die Unterführung bei der Franzensbrückenstraße, dann Eisenbahnunterführung, Hauptallee nichts, Ausstellungsstraße nichts. Lassallestraße nichts.
    Alles hat er gesehen: das Admiral-Tegetthoff-Denkmal, das Solarium Jamaica Sun, das Riesenrad, die Avanti-Tankstelle, den Schnellimbiß, und wie er auch noch in die Seitenstraßen hineingegangen ist, hat er sogar verschiedene Bars gefunden:
Rosi, Susi, Schwarze Katze.
Nach einer Dreiviertelstunde ist er wieder beim Nissanhändler gestanden, und kein
Milchstraße
weit und breit.
    Jetzt soll man am Praterstern nicht längere Zeit zu Fuß unterwegs sein. Weil in Klöch geht vielleicht ein brutaler Mörder um, aber was ist schon ein einziger Mörder gegen den Praterstern. Und du darfst nicht vergessen, wie schlechte Autofahrer die Wiener sind. Paris auch nicht gut, Nairobi auch nicht gut. Aber Wien ganz schlecht. Und wenn dir da sechsspurig die schlechtesten Autofahrer der Welt um die Ohren fahren, kannst du leicht einmal die Nerven verlieren.
    Aber das Hupen und Bremsen und Quietschen ist es nicht gewesen, was dem Brenner den Nerv gezogen hat, wie er mitten auf seiner zweiten Runde gewesen ist. Sondern der weiße Mercedes ist es gewesen, der auf einmal mit vollem Karacho auf den Gehsteig gerumpelt ist und um ein Haar dem Brenner seine Zehen mitgenommen hätte.
    Jetzt, wer da grinsend in seinem weißen Mercedes gesessen ist, wirst du dir schon denken können.
    «Ja, Brenner, was treibt dich denn nach Wien?» fragt der Sittenpolizist Winkler unschuldig.
    Hat er sich also doch noch an die fünfzehn Jahre alte Geschichte mit seiner Frau erinnert.
    «Sehr witzig,
Milchstraße»,
sagt der Brenner.
    «Was, du suchst die Milchstraße?» grinst der Winkler. «Da bist du ja ganz falsch. Hier ist nur der Praterstern. Der gehört gar nicht zur Milchstraße. Das ist nur ein Kreisverkehr auf der Erde herunten.»
    «Was du nicht sagst.»
    Der Brenner ist immer noch blaß wie ein Leintuch gewesen. Weil erstens ein Bier im Speisewagen schon am Vormittag, das ist er nicht gewöhnt gewesen. Und dann eineinhalb Runden Praterstern. Und dann noch fast unter die Räder von der Winklerin ihrem Mann seinem Mercedes gekommen.
    Da muß sich der Brenner jetzt ein bißchen schwach auf den Beinen gefühlt haben. Nur so kann ich es mir erklären, daß er auf das Angebot vom Winkler eingegangen ist. Weil der hat ihm die Autotür aufgehalten, und der Brenner hat keinen Stolz gekannt und ist eingestiegen.
    «Nichts für ungut, Brenner. Spaß muß sein.»
    «Sehr

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