Der Knochenmann
nicht. Aber eines muß ich schon sagen. Die Frau, die er durch die Auslage im Geschäft gesehen hat, also da wäre ein anderer Mann auch auf Gedanken gekommen.
Der Brenner hat vor dem Laden gewartet, bis keine Kundschaft mehr drinnen war. Aber wie verhext, immer wenn die eine Kundschaft langsam fertig wird, betritt die nächste das Geschäft. Eigentlich angenehm für die Verkäuferin, aber natürlich unangenehm für den Detektiv.
Durch das Schaufenster ist ihm schon aufgefallen, wie sehr die Schuhverkäuferin der Löschenkohl-Wirtin ähnelt. Der junge Löschenkohl hat ihm ja zwei Fotos von seiner verschwundenen Frau gegeben. Und seither hat sich der Brenner überhaupt nur eines gefragt. Wie kann so eine attraktive Frau nur auf die Idee kommen, in eine Hendlstation einzuheiraten. Weil da hättest du auf alles getippt, Paris oder drüben, wo sie immer die Schwimmbäder haben. Aber Klöch, der Brenner hat es jedenfalls gut verstehen können, daß die Frau davongelaufen ist.
Und dann die Schwester. Wie der Brenner das Geschäft betritt, muß er sich regelrecht zwingen, daß er nicht pfeift. Nicht das blöde Pfeifen, wie früher, wo die Männer den Frauen auf der Straße nachgepfiffen haben, vielleicht erinnerst du dich noch.
Sondern daß er nicht sein Lied pfeift. Weil beim Anblick der Frau hat er innerlich sofort den «Ritter von Manhattan» gepfiffen. Da hat sich beim Brenner natürlich was gerührt, ein Gefühl, und er ist ganz erleichtert gewesen: Bin ich doch noch ein Mann, weil natürlich Midlife-Krise, wenn heute einer 45 ist und in Klöch versumpft.
«Sie wünschen?»
Jetzt wünschen. Der Brenner hätte schon Wünsche gewußt. Aber er hat auch gewußt, was sich gehört, und deshalb hat er jetzt nur gesagt: «Der Mann Ihrer Schwester, der Herr Löschenkohl –»
Das verächtliche Lächeln von der Schwester ist dem Brenner unter die Haut gegangen, frage nicht. Aber er hat tapfer weitergeredet: «– hat mir gesagt, daß ich Sie hier finde.»
«Sie ist nicht hier.»
«Nein, nicht Ihre Schwester. Sie.»
«Mich?»
«Ich bin Privatdetektiv. Brenner.»
«Aha.»
Aha. Sehr interessant. Vor einer Sekunde ist der Brenner noch so übermütig gewesen, jetzt ist ihm sein Selbstbewußtsein weggesunken wie in diesen tiefen Sümpfen, wo du zuerst einmal bis zum Hals einsinkst, und dann natürlich arrivederci.
«Der Herr Löschenkohl sagt, daß Ihre Schwester öfter zu Ihnen gefahren ist.»
«Aha.»
«Sie wissen nicht zufällig, wo sie ist?»
«Kann ich Ihnen helfen?»
Das ist jetzt so umwerfend freundlich gewesen, und wenn ich gesagt habe Selbstbewußtsein und Sumpf, dann müßte ich jetzt sagen: Auf einmal ist der Haarschopf vom Brenner seinem Selbstbewußtsein wieder aufgetaucht.
Und dann muß ich noch sagen: Leider hat dem Brenner sein Selbstbewußtsein eine Perücke aufgehabt. Und probier einmal, jemanden an der Perücke aus dem Sumpf zu ziehen. Da könnte man jetzt natürlich viel philosophieren. Aber ich sag es lieber geradeheraus, auch wenn es mir weh tut: Der Brenner hat dankbar zurückgelächelt. Und wie er in ihre Augen geschaut hat, ist ihm eingefallen, wie vor vierzig Jahren die Hauptstraße in Puntigam asphaltiert worden ist. Weil nie mehr in seinem Leben hat er etwas so glänzend Schwarzes gesehen wie den frischen Teer, mit dem sie damals die Straße planiert haben.
Und dann hat der Brenner es erst bemerkt. Der Blick und die freundliche Frage haben nicht ihm gegolten, sondern der Kundin, die gerade hinter ihm das Schuhgeschäft betreten hat. Und ob du es glaubst oder nicht, es ist die Fernsehsprecherin gewesen, die jeden Tag das Steiermark-Wetter ansagt. Aber der Brenner hat jetzt nur Augen für seine Schuhverkäuferin gehabt. Sie hat lange dunkelrote Haare gehabt und dazu schwarze Teeraugen, also Seltenheitswert.
Und das ist wirklich ein Zufall gewesen, weil die Angie hat auch rote Haare gehabt, und die Wetter-Ansagerin auch rote Haare. Und so viele Rothaarige gibt es auch wieder nicht. Aber so geht es: Dann triffst du wieder ein Jahr lang nur Schwarzhaarige und dann wieder nur Blonde, da hat das Leben seinen eigenen Humor.
Wie die Wetter-Ansagerin wieder gegangen ist, hat die Verkäuferin sich schon so an das Freundlichsein gewöhnt, daß sie zum Brenner immer noch im selben Ton sagt: «Könnten Sie vielleicht am Abend vorbeikommen? Hier ist zuviel los.»
«Ja, gern. Soll ich um sechs kommen?»
«Wenn es Ihnen ausgeht.»
Ja, danke. Auf Wiedersehen. Der Brenner ist froh gewesen. Jetzt kann
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