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Der Knochenmann

Der Knochenmann

Titel: Der Knochenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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Stunde. Eine Dreiviertelstunde lang hat der junge Löschenkohl kein Wort geredet. Aber ist es jetzt ein Zufall oder nicht, ausgerechnet wie sie an der Hendlfabrik vorbeizischen, die unlängst in Konkurs gegangen ist, fängt er an.
    «Vor einem halben Jahr ist der Ortovic zur Zeitung gegangen und hat behauptet, daß ich ihn für das Entscheidungsspiel zwischen Feldbach und Klöch bestochen hätte. Es ist erstunken und erlogen gewesen. Ich habe mir nicht erklären können, was er von der Verleumdung hat. Jetzt habe ich versucht, über ihn etwas herauszufinden. Vor ein paar Wochen habe ich die Idee gehabt, daß ich in alten jugoslawischen Sportzeitungen etwas über ihn finden könnte. Weil es hat immer geheißen, daß er früher in Jugoslawien eine große Nummer gewesen ist.»
    «Wie der Milovanovic», sagt der Brenner.
    «Ich kann natürlich die jugoslawischen Zeitungen nicht lesen. Aber ich habe eine Studentin in Wien gefunden, die für mich in die Bibliothek gegangen ist und die Zeitungen durchgeschaut hat. Sie hat für mich die Stellen kopiert und übersetzt, in denen der Name Ortovic vorgekommen ist. Heute vormittag habe ich mir die Übersetzungen bei ihr geholt», sagt der junge Löschenkohl, zieht ein paar zusammengefaltete Blätter aus seiner Sakkotasche und gibt sie dem Brenner.
    Dann hat der Brenner gelesen, daß es der Ortovic war, der damals dem Tormann Milovanovic den Kopf eingetreten hat.
    «Jetzt verstehe ich, wieso Sie den Milovanovic suchen. Aber ich verstehe nicht, was der Ortovic davon gehabt hat, daß er Sie verleumdet.»
    Wenn du von Wien auf der Autobahn nach Klöch fährst, mußt du in Ilz abfahren. Dann kannst du entweder über Feldbach oder über Fürstenfeld weiter fahren. Schöner ist es über Fürstenfeld und dann über die Weinstraße bis Klöch hinunter. Aber ein bißchen schneller bist du über Riegersburg und Feldbach. Und die 15 Kilometer von Ilz nach Riegersburg hat der junge Löschenkohl mit seinem Porsche weggesaugt, da hat der Brenner in Ilz geschluckt, und in Riegersburg ist die Spucke noch nicht einmal ganz unten gewesen.
    Und dann auf dem Weg von Riegersburg nach Feldbach sagt der junge Löschenkohl: «Das weiß ich auch nicht. Ich weiß nur, daß meine Frau fast zugleich wie der Milovanovic verschwunden ist. Und daß in derselben Woche der Kopf vom Ortovic aufgetaucht ist.»
    Feldbach hat einen modernen Kirchturm aus Beton. Früher ist er grau gewesen, aber dann haben sie einen jungen Pfarrer bekommen, der ist sogar einmal bei den Hippies gewesen, dem hat der graue Betonturm nicht zugesagt. Jetzt hat er ihn von oben bis unten mit bunten Farbflecken anmalen lassen. Und weil die Hügel nicht höher sind, sieht man den Turm schon von weitem, lange bevor man nach Feldbach hineinkommt. Aber natürlich, wenn du so schnell vorbeizischst wie der junge Löschenkohl, dann siehst du ihn trotzdem nur ein paar Sekunden.
    «Haben Sie die Hütte von der Jurasic Helene gesehen? Was glauben Sie, was so ein Bungalow am Roten Berg kostet?»
    Der junge Löschenkohl hat es mit
a
ausgesprochen, also
Bangalow.
Da hat es ja immer diese zwei Gruppen gegeben, die einen haben es mit
u
und die anderen mit
a
gesagt, und vielleicht ist das der Grund, daß das Wort aus der Mode gekommen ist.
    Dem Brenner ist es jetzt sogar vorgekommen, er hat es nicht mehr gehört, seit seine Tante in Puntigam bei einem Bungalow-Preisausschreiben mitgetan hat. Aber sie hat nur ein gelbes Plastik-Stehaufmännchen gewonnen, und das hat sie dem Brenner geschenkt. Aber solche Erinnerungen sausen dir ja in einer Geschwindigkeit durch den Kopf, da ist ein Porsche nichts dagegen. Und der Brenner hat jetzt gleich geantwortet: «Fünfzigtausend im Monat wird sie dafür schon hinlegen.»
    Jetzt wieder das arrogante Lachen vom jungen Löschenkohl. Eine Mischung aus Herablassung und «bitte schlag mich nicht». Eine gefährliche Mischung, hat sich der Brenner gedacht, obwohl – wenn es danach geht, müßte ja bei uns fast jeder gefährlich sein.
    Und der junge Löschenkohl hat überhaupt eher zum Erbarmen ausgesehen als zum Fürchten. Im Auto siehst du den anderen ja ganz aus der Nähe. Jetzt hat der Brenner gesehen, daß sein feister Nacken so verschwitzt und voller Schuppen gewesen ist, daß er unwillkürlich gedacht hat: Keine Haare, aber trotzdem Schuppen, das ist eine Gemeinheit.
    «Die Jurasic Helene zahlt keinen Schilling im Monat für ihre Hütte», sagt der junge Löschenkohl.
    «Wenn man die richtigen Freunde hat.»
    «Die

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