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Der Knochenmann

Der Knochenmann

Titel: Der Knochenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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umsichtig, daß sich der Brenner nicht gewundert hätte, wenn der Heiligenschein, den der Palfinger im
Borderline
vom Scheinwerferlicht gehabt hat, auf einmal wieder aufgetaucht wäre. Obwohl «heilig» ist übertrieben, weil ich nicht glaube, daß es oben mit dem Kochen weit her ist, da müßten sie sich ja erst das Feuer bei der Konkurrenz unten ausborgen.
    Der Brenner ist jetzt ein bißchen ins Grübeln gekommen, weil er hat sich nicht vorstellen können, warum der Marko verschwunden ist. Ausgerechnet jetzt, wo er den Horvath gefunden hat. Er ist auf keinen grünen Zweig gekommen, und es sind ihm schon wieder diese Zweifel aufgestiegen, ob er den richtigen Beruf hat.
    Er ist dann froh gewesen, wie der Palfinger endlich die Klachlsuppe serviert hat. Weil so eine heiße Suppe ist ja immer noch das beste gegen depressive Stimmungen, das müßte es eigentlich heute schon überall auf Krankenschein geben. Da wird es dir warm um die Seele, das ist schon nicht umsonst, daß man das so ausdrückt. Und nach ein paar Löffeln ist der Brenner schon wieder soweit gewesen, und gleich eine konkrete Frage, wie man es sich heute von einem Detektiv erwarten darf.
    «Wohnt der Marko immer hier am Bauernhof?»
    «Die halbe Zeit ist er in Graz. Abgesehen von gestern habe ich ihn das letzte Mal vor einer guten Woche hier gesehen. Er hat so einen Streit mit dem Jacky gehabt, daß ich es bis herüber gehört habe. Wahrscheinlich hat der Jacky sein Geld haben wollen.»
    «Der Marko ist auch Kunde beim Jacky?»
    «Beim Jacky ist doch jeder Kunde. Aber der Marko hat den Nachteil, daß er nie zahlt. Der hat nicht nur beim Jacky Schulden. Er kauft meine Bilder, aber er bezahlt sie nicht. Ladet dich vielleicht zu einer Blutwurst ein, aber bezahlt dir das Geld nicht.»
    «Das ist immer dasselbe bei den Reichen. Fragt sich nur, ob die Millionäre alle geizig sind oder ob die Geizkragen alle Millionäre werden.»
    «Daß ich nicht lache. Der Marko und Millionär. Der Horvath ist dem seine letzte Rettung.»
    Jetzt wieder dem Brenner seine Aushorchtechnik. Nicht nachfragen. Und diesmal hat es funktioniert. Weil der Palfinger schöpft ihnen beiden noch einen Teller mit Suppe voll, und dann sagt er: «Weißt du eigentlich, wie der Marko seine Millionen gemacht hat?»
    Obwohl dem Brenner von der Suppe schon so heiß gewesen ist, daß ihm der Schweiß in Bächen von der Stirn gelaufen ist, hat er sofort wieder mit dem Löffeln angefangen, quasi: Ich esse, du rede weiter.
    «Gummireifen», sagt der Palfinger.
    Jetzt der Brenner: «Kann man mit Gummireifen so viel verdienen?»
    «Wenn sie kugelfest sind und ein paar Kilometer weiter ein Krieg ausbricht, wo man kugelfeste Gummireifen für die Fahrzeuge braucht, dann schon. Da hat der Marko im ersten Kriegsjahr Geld gescheffelt wie ein Blöder. Am meisten haben wir Künstler davon profitiert. Die Bilderpreise sind hinaufgeschnellt. Weil ein großer Sammler, der kann in einem kleinen Land die Preise hinauftreiben. Und der Marko hat alles zusammengekauft, was er gefunden hat.»
    Der Brenner hat den Kopf ein bißchen eingezogen und brav die Suppe gelöffelt. Und der Palfinger hat brav weitergeredet.
    «Aber wie dann der Einfuhrboykott gekommen ist, ist der Marko auf seinen Gummireifen sitzengeblieben. Und die Riesenfabrik mit 200 Angestellten. Das frißt dir die Gewinne schnell wieder weg. Die Bilderpreise sind auch gleich wieder in den Keller gerasselt, wie der Marko seine Sammlung abgestoßen hat. Nur ein paar Künstler hat er behalten.»
    «Zum Beispiel dich und den Horvath.»
    «Erst wie dann das Gerücht aufgekommen ist, daß der Horvath tot ist, sind die Preise wieder hinaufgeschnellt. Das hat den Marko gerettet.»
    «Da kann er nur hoffen, daß der Horvath nicht mehr auftaucht.»
    «Zumindest nicht vor der großen Ausstellung nächsten Monat. Mit den Plastiken. Weil diese Woche haben sie ja erst mit den Zeichnungen angefangen. Und der Horvath eigentlich Bildhauer.»
    «Wie gut bist du eigentlich mit dem Horvath befreundet?»
    «Der Horvath ist ein einsamer Mensch gewesen. Der hat keinen an sich herangelassen. Und essen hat man mit ihm auch nicht können. Dabei ist er der beste Koch gewesen, den ich jemals kennengelernt habe.»
    Dem Brenner ist es ein bißchen komisch vorgekommen, daß diese Künstler alle so kochverrückt sind. Und er hätte den Palfinger gern danach gefragt, wie das kommt. Aber er hat gewußt, daß er jetzt auf keinen Fall etwas sagen darf, und hat den Palfinger weiterreden

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