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Der Knochenmann

Der Knochenmann

Titel: Der Knochenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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hinter der Holzwand ist der Bach vorbeigerauscht, die Steinrampe zwischen dem Bach und der Holzwand war gerade so breit, daß zwei Füße nebeneinander Platz gehabt haben. Wie sie draußen gestanden sind, hat der Horvath die Holztür wieder zugemacht. Der Wildbach hat hier so laut gerauscht, daß der Horvath schreien hat müssen, damit der Brenner ihn versteht: «Da habe ich mich als Kind immer heraus gestellt, wenn mir mein Vater eine geschnalzt hat!»
    Der Brenner hat nichts dazu gesagt. Erstens hat er nicht schreien wollen, und zweitens ist so ein Bachrauschen ja was Meditatives. Du starrst gern hinein in so einen Bach, das ist wie ein offenes Feuer, da kommt man oft auf die besten Gedanken. Allerdings ist der Brenner jetzt einmal nur auf den Gedanken gekommen: Falls der Horvath der Mörder ist und er stößt mich jetzt in den Wildbach hinein, dann hat er es nicht blöd gemacht.
    Der Horvath ist aber immer noch bei seiner Geschichte gewesen, die er dem Brenner ins Ohr geschrien hat: «Da heraußen hat mich keiner plärren gesehen und gehört auch nicht, weil der Bach so schön laut rauscht. Nur einmal muß ich so laut geplärrt haben, daß es mein Vater hinein gehört hat. Da ist er herausgekommen und hat mich stehen gesehen. Er ist hergegangen, hat seine Hand gehoben und hat mir über die Haare gestreichelt. Das war aber viel schlimmer, als wenn er mir die Ohrfeige gegeben hätte, die ich erwartet habe!»
    Der Brenner ist nie einer gewesen, der gar so viel gehalten hat von so Kindheitsgeschichten. Es ist ihm unangenehm gewesen, wie wenn man in die gemischte Sauna geht. Oder eigentlich hat es nichts mit der gemischten Sauna zu tun, sondern horch zu.
    Er hat einmal mit einer Frau zu tun gehabt, das ist die Kerstin gewesen. Die hat immer mit ihm in die Sauna gehen wollen. Und wieso nicht, es ist gesund, und den ganzen Winter, wo er mit der Kerstin zusammengewesen ist, hat der Brenner keine Verkühlung gehabt, weil da ist die Sauna natürlich ganz großartig dagegen. Und ausgerechnet im Juli, wie es aus gewesen ist mit der Kerstin, hat den Brenner eine Grippe erwischt, er hat eine Woche lang geschwitzt, da ist Sauna nichts im Vergleich.
    Aber das ist vielleicht mehr eine psychische ding gewesen, daß man sagt, so eine Trennung, und wenn es auch nur einen Winter gegangen ist, ist doch immer eine unbewußte Sache auch, und so schnell schaust du gar nicht, hat dich der Virus schon.
    Auseinandergegangen ist es primär, weil die Kerstin so eine Quatschtante gewesen ist, immer über die Kindheit, und Psychologie hin und her. Dabei ist der Brenner hochinteressiert gewesen an Psychologie, aber doch mehr polizeilich. Weil Psychologie bei der Polizei ganz wichtig. Aber immer der Kerstin ihre Kindheit, das wieder weniger.
    Und siehst du, das ist es, was ich mit dem Brüten gemeint habe. Alles ein bißchen durcheinander, und das wird noch gefördert, wenn ein Mensch zuviel in einen Bach hineinstarrt. Oder ist es auch immer noch ein bißchen der Schnaps gewesen, den der Brenner vorher getrunken hat, daß er aus dem Brüten gar nicht mehr herausgekommen ist. Aber so gut hat er sich schon gekannt, daß das ein gutes Zeichen ist, wenn er endlich mit dem Denken aufhört. Weil Denken ist gar nicht immer so seine Stärke gewesen. Aber Brüten, Weltniveau!
    Der Horvath ist dagestanden wie mit dem Rücken an die Holzwand geleimt. Er hat einen Haufen erzählt, aber der Brenner hat die ganze Zeit nur das Bachrauschen gehört. Und er ist erst aus dem Brüten herausgerissen worden, wie der Horvath wieder hineingegangen ist.
    Der Brenner ist hinter ihm her und hat gesehen, wie er die Eingangstür aufgesperrt hat, die von der Holzgarage in die Werkstatt geführt hat. Von der Straße aus hat man nur die kleine Keusche gesehen, aber hinter der Keusche die Werkstatt und davor die Garage, so ist alles zusammen doch weitaus größer gewesen, als man auf den ersten Blick geglaubt hat.
    «Mein Vater ist Wagner gewesen, ein ausgestorbenes Handwerk», sagt der Horvath, macht die Tür auf, und jetzt paß gut auf, was ich dir sage.
    In dem Moment, wie er die Werkstatt betreten hat, ist der Brenner so erschrocken, daß sein Hirn momentan an etwas völlig anderes gedacht hat: Wie sie als Volksschulkinder in Puntigam einmal die Tür zum Kirchturm aufgebrochen haben und ganz hinauf in den Glockenstuhl geklettert sind. Und da haben sie einen Haufen Totenschädel gefunden, also ein paar hundert Totenschädel müssen das gewesen sein, fein säuberlich

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