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Der Knochenmann

Der Knochenmann

Titel: Der Knochenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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dann macht man es erst recht plump und ungeschickt.
    Aber andererseits, wie will man so etwas elegant machen, und ist vielleicht gut, daß dem Brenner der Schnaps ein bißchen geholfen hat.
    «Ich glaub, wir zwei spüren den Schnaps.»
    Das hat die Kellnerin gesagt. Sei mir nicht böse, aber ich bringe es nicht über die Lippen, daß ich auf einmal sage: der Horvath. Auch wenn es letzten Endes der Horvath gewesen ist, der da schon wieder die Schnapsgläser nachgefüllt hat.
    «Prost, Brenner.»
    «Aber nicht, daß du mir dann aggressiv wirst», sagt der Brenner.
    «Ich und aggressiv? Ich werde vom Schnaps höchstens lustig», sagt die Kellnerin und fängt im selben Augenblick zu weinen an. «Jetzt ist es also heraußen», sagt sie leise.
    Und der Brenner sagt: «Jetzt ist es heraußen.»
    Und die Kellnerin trinkt einen Schnaps und wischt sich den Mund ab und sagt: «Jetzt ist es heraußen.» Und dann sagt sie eine Zeitlang nichts. Und dann sagt sie: «Jetzt ist es heraußen. Und jetzt glaubst du, daß ich was mit den Knochen im Keller zu tun habe.»
    Und der Brenner sagt: «Nicht unbedingt.»
    Und die Kellnerin sagt: «Ein Mann, der sich als Kellnerin ausgibt, mit dem muß was nicht in Ordnung sein.»
    «Nicht unbedingt», sagt der Brenner.
    «Nicht unbedingt. Außer es tauchen Knochen auf in dem Gasthaus, wo sie servierte, sagt die Kellnerin und steht auf. «Ich gehe jetzt auf Zimmerstunde.»
    Und dann ist der Brenner allein dagesessen mit der Schnapsflasche.
    Aber er hat sich keinen Schnaps mehr eingeschenkt. Er ist dagesessen und hat sinniert. Also mehr so gebrütet, wie wenn man in der Sonne sitzt und über etwas nachdenkt. Man glaubt selber, daß man denkt, aber eigentlich brütet man mehr. Und statt der Sonne hat ihm der Schnaps den Bauch gewärmt.
    Wenn der Brenner nachgedacht hätte, dann wahrscheinlich darüber, ob die Kellnerin, sprich Horvath, der Knochenmann gewesen ist oder nicht. Was spricht dafür, was spricht dagegen? Und was für ein Motiv könnte es geben, hätte er vielleicht überlegt. Und wieso die Wirtin? Wieso der Marko? Wieso der Jacky? Wieso der Ortovic und der Milovanovic? Und wer ist überhaupt der gewesen, den man am Anfang gefunden hat? Und beim Nachdenken hätte er vielleicht endlich ein bißchen eine Linie in seine Nachforschungen hineingebracht, statt weiter so ziellos durch die Gegend zu stolpern.
    Aber nachgedacht hat er ja nicht. Und beim Brüten sind diese Fragen vielleicht auch alle vorgekommen, aber natürlich furchtbares Durcheinander. Und gleichzeitig hat er vielleicht über seinen linken Schuh gebrütet, wieso der bei ihm immer an derselben Stelle ein Loch bekommt, links bei der kleinen Zehe. Bei den neuen Schuhen ist es auch schon wieder soweit gewesen.
    Weil das ist ja der Vorteil beim Brüten gegenüber dem Denken. Daß du über alles gleichzeitig nachbrüten kannst. Die Geräusche, die aus der Küche gekommen sind, hat er genauso mitgebrütet wie die Kalenderbilder an den Wänden. Weil beim Brüten kannst du es dir ja nicht aussuchen, über was du brütest. Das ist anders als zum Beispiel beim Denken, wo du es dir ein bißchen aussuchen kannst.
    Du hast es beim Brüten nicht in der Hand, was herauskommt. Kann eine große Überraschung sein, ja was glaubst du. Auch wieder Unterschied zum Denken, wo du die Überraschung ein bißchen ausschalten kannst. Schon eine Überraschung möglich beim Denken, aber nicht, sagen wir, daß es dich umhaut.
    Aber ich will jetzt nicht gegen das Denken reden. Weil beim Brüten kommt meistens weniger als nichts heraus. Du brütest ein bißchen, dann schläfst du ein. Das ist die einzige Überraschung, die du beim Brüten erlebst im Normalfall. Du schreckst auf und denkst überrascht: Jetzt bin ich doch glatt eingeschlafen. Und meistens brütet man nur, weil man zu faul zum Denken ist, das muß auch einmal gesagt werden.
    Aber jetzt bin ich selber ein bißchen ins Brüten hineingekommen, da siehst du einmal, wie man da leicht hineinrutscht, es ist verhext!
    Den Brenner hat es dann aber regelrecht umgehaut, wie er aus dem Brüten aufgewacht ist: Schock, anders kann man das nicht sagen. Aber nicht, weil er so was Gewaltiges ausgebrütet hat, höhere Erkenntnis oder ding, daß man sagen kann: Siehst du, da hat sich das Brüten einmal ausgezahlt, und gut daß ich zum Denken zu faul gewesen bin.
    Sondern der Brenner ist jetzt aus dem Brüten aufgeschreckt, weil ein fremder Mann hereingekommen ist mit genau demselben Hemd, wie der Brenner auch eines

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