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Der Knochenmann

Der Knochenmann

Titel: Der Knochenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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ist?»
    «Weil er jeden Tag da ist.»
    «Gehört ihm die Bude?»
    «Daß ich nicht lache.»
    «Was tut er dann da?»
    «Was glaubst du, wo er seinen Whisky-Schädel her hat?»
    Dem Brenner ist es komisch vorgekommen, daß der Horvath solche Aggressionen gegen den jungen Löschenkohl hat. Möchte man meinen, der eine Geschlagene hat mit dem anderen Mitleid. Aber natürlich, es ist genau umgekehrt. Im Grunde genommen genau das gleiche wie bei den Hunden. Braucht ein Pudel nur einen kleineren Pinscher sehen, schon kriegt er den Blutrausch. Da ist ein Rottweiler die Humanität in Person dagegen.
    «Und frag ihn, wohin die 20 Millionen verschwunden sind, die vor einem Jahr noch auf dem Löschenkohl-Konto gewesen sind. Ich weiß es von der Wirtin», hat ihm der Horvath noch durch das offene Fiesta-Fenster nachgerufen.
    Im
Little Joe
ist der Brenner gleich wieder hellwach gewesen. Weil du darfst eines nicht vergessen. Disco ist heute nicht gleich Disco. Da gibt es solche und solche. Aber so eine wie in Gleichenberg wirst du nicht leicht ein zweites Mal finden. Da hat sich ein Diskotheken-Architekt einmal wirklich was einfallen lassen. Die ganze Disco ist original wie ein Stall eingerichtet gewesen, also du kennst ja diese Kobel, wo die Tiere hineingepfercht werden, und die Futtertröge, die Wasserschläuche, alles ist dagewesen.
    Die Männer sind gelangweilt an den Trögen gelehnt und haben den drei Mädchen zugeschaut, die getanzt haben. Weil es ist überall dasselbe auf der Welt, Bad Gleichenberg oder Manhattan, ganz egal: Die Frauen tanzen lieber, die Männer schauen lieber blöd.
    Wie der Brenner über die Schweinerampe in den oberen Stock hinaufgekommen ist, ist er aber erleichtert gewesen. Oben nicht Stall, sondern ganz normale Bareinrichtung. Er ist zum Tisch vom Paul Löschenkohl hinüber, und der hat ihn, ohne zu grüßen, sofort gefragt: «Haben Sie schon was herausgefunden?»
    «Nicht direkt.»
    «Und indirekt?»
    «Wie beim Freistoß», sagt der Brenner.
    Der junge Löschenkohl hat ein bißchen dumm geschaut.
    «Und man weiß nie, wie es gefährlicher ist», sagt der Brenner.
    «Sie interessieren sich für Fußball?»
    «Mich interessieren die 20 Millionen, wegen denen der Ortovic Sie mit der Bestechungsgeschichte verleumdet hat.»
    Der junge Löschenkohl hat dem Kellner gedeutet, daß er ihm noch ein Glas bringen soll. Obwohl sein Whiskyglas noch fast voll war. Sein Gesicht ist so aufgedunsen gewesen, als hätte er sich seit Jahren von nichts anderem ernährt. Wie der Kellner den neuen Whisky gebracht hat, hat der Paul schnell das alte Glas hinuntergekippt, als wäre es nur für den Kellner, quasi hilfsbereit, damit er das Glas gleich mitnehmen kann.
    Der Brenner hat nicht recht gewußt, was er bestellen soll, dann hat er ein Cola genommen.
    «Cola Rum?»
    Die Haare vom Kellner haben so geglänzt, als hätte er sie mit einem Grillhendl eingeschmiert.
    «Cola ohne Rum.»
    Weil der Brenner ist froh gewesen, daß er den Schnaps vom Nachmittag nicht mehr spürt. Obwohl, das hat er sich natürlich nur eingebildet, weil du selber glaubst, du spürst es nicht mehr, aber natürlich: Du spürst es noch die längste Zeit, das ist erwiesen.
    «Sie wollen mich nur bluffen.»
    Jetzt der junge Löschenkohl schon wieder Aussprache-Weltmeister. Nicht nur
Bangalow,
sondern auch
blaffen,
da ist er konsequent gewesen. Aber dann wieder inkonsequent wie ein alter Säufer. Weil er hat sich nur ein paar Sekunden gewehrt, und dann hat er angefangen.
    Er hat ganz langsam seine Geschichte erzählt. So langsam, wie jemand redet, der sich auf jedes einzelne Wort konzentriert. Aber nicht daß du glaubst, er hat sich konzentriert, weil er gelogen hat. Sondern wenn du dein Leben lang gelogen hast, dann geht dir das in Fleisch und Blut über. Und dann mußt du dich konzentrieren, wenn du die Wahrheit sagst.
    «Mein Vater hat in den vierziger Jahren die Hendlstation aus einer kleinen Buschenschank aufgebaut. Am Anfang haben wir oft nur ein paar Viertel Weißwein verkauft. Hundert Schilling, das ist schon ein guter Umsatz gewesen. Aber mit der Zeit immer besser. Dann ausgebaut, und immer mehr Leute. Und ein paar Jahre später wieder ausgebaut. Und wieder ausgebaut. Ich weiß nicht, wie oft.»
    Der Paul hat sich einen Bieruntersetzer genommen und darauf mit seinem Kugelschreiber nervös herumgekritzelt.
    «Die Mutter ist bald davongelaufen, weil mein Vater nur mehr das Geld im Schädel gehabt hat. Sie hat einen Jugoslawen geheiratet. Der Vater

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