Der Knochenmann
hat es gar nicht richtig gemerkt, daß sie weg war. Und wieder ausgebaut. Zuletzt hast du am Wochenende schon das Gefühl gehabt, daß wir die halbe Steiermark ausspeisen.»
Er hat den Brenner keinen Moment angeschaut, sondern die ganze Zeit auf seinem Bierdeckel herumgekritzelt, während er geredet hat.
«Dann habe ich geheiratet. Mein Vater hat meine Frau sehr gern gehabt. Sie ist tüchtig im Betrieb gewesen und hat bald auch die Finanzen übernommen. Ich bin immer weniger für den Betrieb gewesen. Und immer weniger für meine Frau. Es war mein Fehler, daß ich sie in die Station hineingebracht habe. Je mehr sie mit den Hühnern zu tun gehabt hat, um so weniger hat sie mich interessiert.»
Auf dem roten Bierdeckel ist mit weißen Buchstaben gestanden: DISCO LITTLE JOE, BAD GLEICHENBERG. Und der Paul hat mit seinem roten Kuli das Wort DISCO langsam zum Verschwinden gebracht.
«Trotzdem ist sie dann einmal mit einem Problem zu mir gekommen. Der Vater hat in einer Woche eine Million Schilling ausgegeben. Sie hat gesagt, ich soll mit ihm reden. Aber er hat nichts davon wissen wollen. In den nächsten Monaten hat er fünf Millionen ausgegeben. Ich bin ihm nachgefahren und habe gesehen, daß er zu einer Prostituierten gefahren ist.»
Inzwischen hat der Paul auch das nächste Wort übermalt gehabt, und auf dem Bierdeckel ist nur noch gestanden: JOE BAD GLEICHENBERG.
«Sie wissen ja, daß mein Vater seit dem Krieg kein richtiger Mann mehr ist. Deshalb hat er dann ein paar Jahre später meine Mutter geheiratet, weil sie schon ein Kind gehabt hat. Sie hat mich dann bei ihm gelassen, damit ich etwas erbe. Und jetzt läßt mein Vater, der fünfzig Jahre keine Frau angeschaut hat, auf einmal sechs Millionen bei einer Prostituierten? Ich bin ihm immer wieder nachgefahren, und er hat immer nur die Jurasic Helene aufgesucht, die Freundin vom Ortovic.»
Jetzt ist schon nur mehr BAD GLEICHENBERG auf dem Bierdeckel zu lesen gewesen.
«Dann sind bald einmal zehn Millionen weg gewesen. Meine Frau hat gesagt, das ist die Hälfte von dem, was er in seinem ganzen Leben erwirtschaftet hat. Und ich soll ihn entmündigen lassen, sonst ist bald der ganze Betrieb weg. Dann bin ich zum Gericht mit den Belegen, und ich habe es beweisen müssen, und außer den Bankbelegen hätte ich auch wenigstens einen Zeugen gebraucht. Dann habe ich mich nach einem Zeugen umgehört. Inzwischen sind schon wieder zwei Millionen weg gewesen.»
Nur noch GLEICHENBERG hat jetzt weiß aus dem über und über roten Bierdeckel vom Paul geleuchtet.
«Und dann hat der Ortovic erfahren, daß ich den Vater entmündigen lassen will. Und dann hat der die Idee gehabt, daß er mich entmündigen muß, bevor ich den Vater entmündigen kann. Also öffentlich entmündigen, lächerlich machen, daß mir keiner mehr glaubt. Hat er die Bestechungsgeschichte aufgebracht. Und mich damit in der ganzen Steiermark unmöglich gemacht.»
LEICHENBERG. Wie der Paul mit seiner Geschichte fertig gewesen ist, hat er den Brenner fragend angeschaut.
«Und Sie erwarten, daß ich Ihnen die Geschichte glaube?» hat der Brenner gesagt. Weil obwohl wir heute wissen, daß jedes Wort vom Paul wahr gewesen ist, hat ihm der Brenner in dem Moment nicht glauben wollen.
«Sie können ja die Jurasic fragen.»
«Die Jurasic ist in Wien», sagt der Brenner. Und in dem Moment fällt ihm ein, daß er immer noch nicht bei der Wiener Telefonnummer angerufen hat, die ihm die Kellnerin aufgeschrieben hat.
«Sie können ja mein Auto nehmen.»
Jetzt ist der Brenner alles andere als ein Autonarr gewesen. Er hat ja nicht einmal ein Auto gehabt. Aber ein bißchen spazierenfahren mit dem silbernen Porsche. Wie soll ich sagen. Wen hätte das nicht gereizt.
«Sie müssen nur mit der Diebstahlsicherung aufpassen», sagt der junge Löschenkohl und gibt dem Brenner den Schlüssel und noch eine Fernbedienung, mit der er die Lenkradsperre auf Knopfdruck abmontieren kann.
Aufgebracht hat der Brenner die Lenkradsperre dann wirklich auf Knopfdruck, aber er hätte sich gewünscht, daß man das sauschwere Eisending auch auf Knopfdruck verstauen kann. Weil in so einem Porsche ist ja nicht viel Platz, und es ist die größte Lenkradsperre gewesen, die er jemals gesehen hat.
Er hat den Kopf geschüttelt, weil er genau gewußt hat, daß die professionellen Autodiebe so ein Ding in ein paar Sekunden offen haben. Ob es jetzt ein bißchen größer ist oder ein bißchen kleiner, ganz egal: Kühlspray, Hammer, offen, da
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