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Der Knochenmann

Der Knochenmann

Titel: Der Knochenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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brauchst du zum Verstauen zehnmal so lange. Aber er hat sie dann hinter den Schalensitzen schräg hineingeklemmt, und so ist es gegangen.
    Und siehst du, das ist es, was ich immer sage. Weil er hat überhaupt nicht zur Jurasic fahren wollen. Er hat sie ja noch nicht einmal angerufen. Der Brenner hat einfach nur eine Runde mit dem Porsche machen wollen. Und da sagt man immer, das Kind im Mann, und macht sich lustig darüber. Aber wenn der Brenner jetzt nicht den Porsche genommen hätte, dann könnten wir heute noch einen Toten mehr auf dem Klöcher Friedhof besuchen.
     

12
    Da brauche ich mehr Zeit, um diesen Satz zu sagen, als der Brenner mit dem Porsche von Klöch nach Wien und wieder zurück gebraucht hat. Weil zwei Stunden nach Mitternacht ist er schon wieder in seinem Personalbett gelegen. Aber natürlich, von Einschlafen kann keine Rede sein.
    Wenn du heute 400 Kilometer Autobahn in einem silbernen Porsche wegsaugst, quasi Silberstreif am Horizont, dann kannst du froh sein, wenn dir das Adrenalin nicht bei den Ohren herauskommt. Aber Adrenalin noch der geringste Grund, wieso es für den Brenner kein Einschlafen gegeben hat.
    Weil da bin ich noch nicht einmal mit diesem Satz fertig, ist der Brenner schon mit der Jurasic Helene fertig gewesen. Die hat sich dieses Mal nicht mehr lange gespielt und hat dem Brenner genau erzählt, wie sie dem alten Löschenkohl sein Vermögen herausgerissen hat. So genau, daß der Brenner es bereut hat, daß er im
Little Joe
nicht doch einen Whisky oder wenigstens ein Cola mit Rum getrunken hat.
    Wie er jetzt in seinem Personalbett gelegen ist, hat er immer noch die Rücklichter von den Autos auf der Autobahn durch die Dunkelheit flitzen gesehen. Die roten Punkte sind so schnell näher gekommen, daß er manchmal geglaubt hat, die Rücklichter sind bei den Autos vorne montiert, sprich Gegenverkehr.
    Während er zu der holzverkleideten Zimmerdecke hinaufgestarrt hat, hat er die ganze Zeit mit dem linken Daumen über die Fingerkuppe von seinem linken Mittelfinger gestrichen. Das kennst du bestimmt, wenn man wo eine Blase hat, daß man immer wieder hinfühlen muß. Aber daß einer auf ein paar hundert Kilometern Autobahn derart oft die Lichthupe drückt, daß es ihm eine Blase aufzieht, ist auch ein kleiner Weltrekord.
    Es ist schon halb vier gewesen, und er hat einfach immer wieder daran denken müssen, was ihm die Jurasic Helene vor ein paar Stunden erzählt hat. Und er hat jetzt gespürt, wie schön langsam da hinten vom Schlüsselbein herauf das Kopfweh hereingekrochen ist. Weil zuerst der Rausch und dann das Kopfweh, da könnte man eine ganze Philosophie begründen.
    Aber der Brenner jetzt weniger philosophisch. Weil wenn du heute Kopfweh hast, ist das genau das Falsche mit den schwierigen Gedanken. Das ist, wie wenn du beim Kopfweh-Porsche noch den Turbo einschaltest, und da kommt dir das Kopfweh noch vom verspannten Nackenmuskel hinter dem linken Ohr herein, und ein paar Sekunden später weißt du schon nicht mehr, wie du geradeaus schauen sollst.
    Diesen blöden Fehler hat der Brenner jetzt natürlich nicht gemacht. Weil er hat ja ganz etwas Leichtes zum Denken gehabt. Oder gibt es etwas Leichteres, als immer wieder dasselbe zu denken? Und der Brenner hat immer wieder daran denken müssen, wie ihm bei der Jurasic Helene der Tormann Milovanovic die Tür aufgemacht hat. Und was ihm der Milovanovic und die Jurasic dann erzählt haben.
    Aber da brauche ich länger, um diesen Satz zu sagen, als der Brenner gebraucht hat, um zu begreifen, wer der Knochenmann ist.
    Jetzt um vier in der Früh hat der Brenner immer noch nicht geschlafen. Und dann ist das Kopfweh endgültig angekommen. Er hat sich von einer Seite auf die andere gedreht, und ihm ist vorgekommen, daß das Surren von der Knochenmehlmaschine immer lauter wird.
    Und dann hat er wieder an die Jurasic Helene denken müssen. Und dann wieder an den Milovanovic. Und dann an den jungen Löschenkohl, der ihm seinen Porsche geborgt hat. Und dann an die Kellnerin. Und dann an den alten Löschenkohl. Und dann ist er zum fünften oder sechsten Mal in dieser Nacht aufgestanden. Und hat gesehen, daß es draußen immer noch stockfinster gewesen ist. Und dann hat er sich aus Klopapier so kleine Kugeln für die Ohren gemacht, damit er das Surren von der Knochenmehlmaschine nicht mehr hört.
    Dann hat er sich gedacht, wieso surrt eigentlich die Knochenmehlmaschine Tag und Nacht. Und er hat sich gedacht, weil wenn du wach liegst in der Nacht,

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